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[REZENSION] Stewner, Tanya – Das Lied der Träumerin

Tanya Stewner
Das Lied der Träumerin

Verlag: Fischer
ISBN-10: 3841421164
ISBN-13: 978-3841421166
empfohlenes Lesealter: ab 14 Jahre
persönliches Empfinden: ab 18 Jahre

Inhalt:
Nach dem Tod ihres aus England stammenden Vaters kehrt Angelia ihrer Mutter und Deutschland den Rücken und geht nach London, um ihren Traum zu leben: sie will Sängerin werden! Darüber verwirft sie sich mit ihrer Mutter, die für Jana – wie Angelia mit ersten Vornamen heißt – ein Jurastudium und eine “sichere” Zukunft vorgesehen hat. Doch Angelia lässt sich von ihrem Traum nicht abbringen und bewohnt schon bald in London eine WG mit den beiden ungleichen Brüdern Josh und Jeremy, der eine lebensbejahend und ebenso ein Träumer wie Angelia, der andere scheinbar gefühlskalt und oberflächlich. Angelia macht Höhen und Tiefen durch, heimst Erfolge ein und erlebt Rückschläge, doch neben allem verliert sie nie ihrem Traum aus den Augen, auch nicht, als sie sich ihrer Vergangenheit und der ihres Vaters stellen muss, der einst ähnliche Träume wie seine Tochter hatte.

Eigene Meinung:
Wie bereits in ihrer Elfengeschichte für jüngere Leser hat mich Tanya Stewner mit ihrem klaren und poetischen Schreibstil gefesselt. Das Buch besticht durch eine zauberhafte und zarte Gestaltung und jedes Kapitel wird mit einem passenden Zitat eingeleitet. Leider ist damit aber schon alles Positive gesagt, was ich diesem Buch abgewinnen konnte. Lange Zeit habe ich mich vor dieser Rezension gedrückt, weil ich einfach nicht verstehen konnte, warum mich der Zauber dieser Geschichte nicht erreichen konnte wie so viele andere Leser, denn vom Ansatz fand ich einige Ideen der Autorin durchaus gut, aber in der Umsetzung misslungen.
Was nützen alle Zitate und großen Worte, wenn man einfach keinen Zugang zu der Hauptperson eines Romans finden kann? Angelias lebensbejahende Art ging mir stellenweise auf den Keks, ihre Art ihrem Traum nachzugehen grenzte in meinen Augen beinahe an Größenwahn und ihre Aussagen sind teilweise richtig krass. So nennt sich nicht die Krebserkrankung als Ursache für den Tod ihres Vaters, sondern in ihren Augen war die Mittelmäßigkeit daran Schuld. Einwände ihrer Mutter werden mit Phrasen und Parolen niedergeschmettert, die in meinen Augen zu extrem dargestellt waren, um natürlich zu wirken. Die Protagonisten sind nicht grauschattiert, sondern alle schwarz oder weiß. Träumer sind gut und alle anderen, die ihren Traum aufgegeben haben sind schlecht. Träumen wird gleichgesetzt mit Leben, Mittelmäßigkeit und Sicherheit stehen für Leblosigkeit.
Mir ist bewusst, dass viele Leser ein positives Fazit aus der Geschichte gezogen haben, aber für mich stand am Ende das Fazit, dass Menschen, die ihre Träume nicht leben, kein lebenswertes Dasein führen, auch wenn das ganz sicher nicht die Intention der Autorin war. Nachdem ich das Buch beendet habe, war ich einfach verärgert, schockiert und deprimiert. Stundenlang habe ich mir die Nacht um die Ohren geschlagen und mich gefragt, was das Leben überhaupt für einen Sinn hat aus Angelias Sicht, aber ohne Möglichkeit seine Träume leben zu können. Nachdem ich zeitgleich mit meiner Lektüre andere Stimmen zu dem Buch gehört habe, scheint es sehr stimmungsabhängig zu sein, wie das Buch beim Leser ankommt, ich empfehle es zumindest an keinen weiter, der aus irgendeinem Grund einen großen Traum begraben musste oder eine negative Phase in seinem Leben durchmacht. Daneben haben mich auch eine Glaubensdiskussion und der Umgang mit Sex gestört. Nicht der Sex an sich, sondern die Titulierung als Vögeln oder Treiben. Dass ich mich an diesen Punkten gestört habe, liegt vor allen Dingen an meinen im Nachhinein falschen Erwartungshaltungen, mit denen ich an dieses Buch herangegangen bin. Die Altersempfehlung ab 14 Jahren und der verträumte himmelblaue Umschlag lassen auf eine ganz andere Geschichte schließen, als die, die man letzten Endes geboten bekommt. Nach dem Lesen würde ich das Buch frühestens ab 16, vielleicht sogar erst ab 18 Jahren empfehlen.
An einigen Stellen hätte mich die Geschichte dennoch für sich gewinnen können, wenn einige Punkte nicht zu kurz abgehandelt worden wären, wie die Konfliktbewältigung zwischen Angelia und ihrer Mutter oder das Verhältnis zwischen Josh und Jeremy und ihrem Vater. Die Aussagen, die hier gemacht werden, sind teilweise provokant, aber zu plakativ. Daneben hat mich noch die Vorhersehbarkeit einiger Handlungspunkte gestört. An einem bestimmten Punkt der Geschichte kann sich der Leser recht schnell denken, warum Angelias Vater seiner Heimat den Rücken zugewandt und seine Träume begraben hat und das Angelia an zwei Stellen Niederlagen einstecken muss, konnte man sich eigentlich auch denken, da die Ziele beinahe utopisch hochgesteckt waren. Hätte die Handlung an diesen Stellen eine andere Wendung genommen, wäre sie einfach nicht mehr glaubwürdig gewesen. Zu viel gewollt – zu wenig rübergebracht: neben Lebensmüdigkeit und verlorenen Träumen handelt die Autorin Homosexualität, Alkoholprobleme und althergebrachte Werte wie Ehe und Glauben manchmal nur auf wenigen Seiten ab, dass mir trotz mitreißenden Dialogen und fließendem Schreibstil die Handlung stellenweise zu unausgegoren und halbherzig war.
Tanya Stewner macht keinem vor, dass Lebensträume einfach so erfüllt werden, um Träume zu verwirklichen, muss auch Angelia hart arbeiten, aber ihre Art, wie sie alles außer ihrem Traum als notwendiges Übel sieht und Personen ohne Träume als zweitklassig degradiert werden, hinterließ bei mir nach dem Lesen einen schalen Beigeschmack.
Wer selbst Musik “lebt” kann sich mit “Das Lied der Träumerin” aber sicher mehr identifizieren als ich das konnte, denn ich finde Musik zwar schön, aber sie nimmt keinen so hohen Stellenwert in meinem Leben ein, dass ich mich in Angelias Umgang mit Musik wiederentdecken oder mich zumindest hineinversetzen konnte. Für Angelia ist Musik nicht gleich Musik, vielmehr hat sie einen Soundtrack für ihr Leben und das richtige Lied zur richtigen Zeit wirkt bei ihr beinahe wie ein Wunderheilmittel.

Fazit:
Eigentlich möchte ich zu diesem Buch weder raten noch abraten. Man liebt es, man hasst es, oder es wird einen gar nicht berühren, einer Sache bin ich mir aber relativ sicher: um es zu lieben, muss man mehr Träumerin sein, als ich es bin, es war einfach nicht mein Lied!
Auf Grund positiver Leseerfahrungen mit anderen Büchern von Tanya Stewner im Vorfeld und ihrem wunderbaren Schreibstil werde ich aber auf jeden Fall zu weiteren Büchern aus ihrer Feder greifen.

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9 thoughts on “[REZENSION] Stewner, Tanya – Das Lied der Träumerin

  1. Oha schon die zweite total negative Rezension die ich über dieses Buch gelesen habe…es liegt ja auch noch auf meinem Sub und die Tendenz es demnächst zu lesen, schmälert sich immer weiter! :D Na mal sehen….vielleicht gefällt es mir dann ja gan gut :)

    LG
    ————————————————
    http://www.ThrillerOnline.de
    Jeden Montag neuer Lesestoff

  2. Ich kenne sooo viele begeisterte Stimmen zu dem Buch, dass es laut Statistik wahrscheinlicher sein dürfte, das dir das Buch gefällt, aber nur theoretisch, persönlichem Geschmack kann man ja schlecht mit mathematischen Methoden zu Leibe rücken ;D

  3. Hey,
    auch wenn du dir Zeit gelassen hast mit einer Rezension (oder vielleicht gerade deswegen?) ist sie dir wirklich gut gelungen! Du triffst vieles auf den Punkt, was ich beim Lesen auch so empfunden habe. Nur weil ich nicht so eine Träumerin bin, ist mein Leben doch nicht zweitklassig. Jeder Mensch hat doch seine Träume, nur müssen sie ja nicht so extrem sein, wie die von Angelina. Gut finde ich es auch, dass du die Sache mit dem "Sex" nochmal angesprochen hast. Mir ging es ja auch so. Ich habe mich nicht so sehr an der Tatsache Sex gestört, sondern eben an der Ausdrucksweise, die wohl zeitgemäß sein soll (schade echt :/)
    Bin froh, dass ich noch ein paar weitere kritische Stimmen gelesen habe, sonst wäre ich mir glaube ich wirklich komisch vorgekommen.
    Danke für diese treffende Rezi!
    Grüßle Caro

  4. Da ist sie also, die hart umkämpfte Rezension! Gut gebrüllt, Löwe, gefällt mir gut!
    Ich könnte auch nichts damit anfangen, ich bin da zu realistisch veranlagt. Und ich fürchte, junge Menschen, die denken, man müsse nur hart genug arbeiten und dann erfüllen sich die eigenen Träume, werden unsanft auf der Nase landen, denn so läuft das Leben nicht. Träume bleiben ganz oft einfach Träume und dennoch hat das Leben seinen Wert und seine Reize. Und oft machen einen sogar die Wege glücklich, die man ganz ungeplant gegangen ist. :)

  5. Hallo Annette, wie ich schon vor einiger Zeit bei Caro geschrieben habe, drücke ich mich ja immer noch vor der Rezension. Weil – ihr beide habt definitiv all das schon geschrieben, was mir durch den Kopf gegangen ist, und zum anderen, ist es kein Rezensionsexemplar, wo ich in der Zeit bleiben sollte.
    @Caro – du brauchst dir nicht komisch vorkommen. Ich finde, jeder sollte seine eigene Meinung vertreten und auch Autoren nehmen Kritik an. Soweit ich weiß, hat Tanya ja geschrieben sie hätte das Buch auch irgendwie vom Alter her bei ca. 18 J. angesiedelt. Aber nu is es eh zu spät – es ist auf dem Markt. Und je mehr man darüber liest, spricht, kurbelt es das Interesse an *lol…..
    LG HANNE

  6. @Caro Ich fühle mich auch immer ganz seltsam, wenn ich ziemlich alleine mit einer gegensätzlichen Meinung zu der Mehrheit dastehe. Du glaubst gar nicht, wie gut es schon in der Leserunde getan hat, dass Iris und du dem Buch auch eher kritisch gegenüber gestanden habt.

    @Ailis Danke! Deine Aussage bringt es auf den Punkt, und ich denke auch, dass du dich bei diesem Buch an genau den gleichen Sachen stören würdest. Schade, vom Stil her war es so toll… umso schwieriger eine Kritik zu schreiben, die sich eigentlich nur am Inhalt festmacht, der entweder nicht berührt oder maßlos verärgert hat.

    @Hanne Selbst ohne Druck wäre mir diese Rezension schwer gefallen, umso mehr, als das ich mich gemeldet hatte für die Forumsrezension bei Lies-und-lausch zur autorenbegleiteten Leserunde :( Du glaubst gar nicht, wie sehr mir bei dem ganzen positiven Feedback ein Stein vom Herzen geplumst ist und sogar die Autorin hat von sich aus einen Link auf die Rezension gesetzt. Sie nimmt die Kritik opjektiv an und das war mir sehr wichtig!

    @All Allerdings fühle ich mich nach dieser Rezension so ausgepowert, dass ich hoffe am Wochenende meine mittlerweile schon wieder 4 ausstehenden Rezis überhaupt schreiben zu können. Aber wenigstens ist kein sorgenkind darunter ;)

  7. Eine tolle Rezension, wirklich!
    Bislang habe ich nur gute Rezensionen zum Buch lesen können und war umso neugieriger auf Deinen "Veriss" (der gar nicht so böse rüberkommt) :-)
    Du hast gut begründet, warum Dich dieses Buch nicht berühren konnte.
    Zuerst war ich ein bisschen verunsichert, ob ich das Buch noch lesen möchte (ich besitze es noch nicht, aber habe schon drüber nachgedacht, es zu kaufen), doch nun bin ich umso neugieriger, eben weil die Meinungen so auseinandergehen. Wie ich es wohl finden würde? Keine Ahnung … eigentlich halte ich mich für recht realistisch, nicht träumerisch. Andererseits weiß ich, dass sich Träume doch erfüllen können.

    Lieben Gruß,
    Svenja

    PS: Ich hoffe, Du findest bald neuen Elan für die ausstehenden Rezensionen :-)

  8. Endlich ist sie da, die lang ersehnte Rezension. :)
    Nachdem das Buch ganz oben auf meiner Wunschliste steht, war ich auf deine Meinung natürlich doppelt gespannt. Und du bist auch die Erste, die dieses Buch nicht in den Himmel lobt.

    Trotzdem werde ich "Das Lied der Träumerin" lesen, da die Musik neben Büchern meine 2. große Leidenschaft ist und ich total gern singe (hatte sogar schon ein paar Soloauftritte ;-)).
    Ich lasse mich überraschen und bedanke mich für deine ehrliche Meinung!

    Liebe Grüße,
    Sabine

  9. @Svenja Heute hat mir der Elan für die ausstehenden Rezis leider noch gefehlt, bzw. habe ich ihn in andere Projekte gesteckt ;) Aber ab Morgen MUSS ich mich unbedingt mal dransetzen!!!

    @Sabine Dann bin ich gespannt, wie dir das Buch gefehlt ;) Die positiven Meinungen dazu überwiegen ja. Aber man kann halt nicht immer alles mögen, und eigentlich ist das ja auch gerade das reizvolle an Rezensionen, das so viele verschiedene Meinungen zusammen kommen.

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