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[REZENSION] Watson, Mark – Elf Leben

Mark Watson
Elf Leben

Verlag: Eichborn
272 Seiten, Hardcover
ISBN-10: 382186124X
ISBN-13: 978-3821861241

Inhalt:
Ein einschneidendes Ereignis in seinem Leben führte dazu, dass Chris Cotswold seinem bisherigen Leben, seinen Freunden und seiner großen Liebe in Australien den Rücken zukehrte. Heute heißt er Xavier Ireland, liebt Scrabble-Turniere und moderiert im Radio eine Art Kummerkasten-Sendung, bei dem die Schlaflosen der Millionenstadt London bei ihm anzurufen und ihm ihre Geschichten erzählen. Doch was ist mit Xaviers Geschichte? Die Initialen XI hat er bewusst gewählt. XI ist ein kaum bekanntes, aber gültiges Wort, mit dem Xavier in der Woche seines Namenswechsels ein Scrabble-Turnier gewann, außerdem bezeichnet XI die römische Zahl Elf, eine Zahl, die Xavier schon immer begleitet hat.
Die Teilnahme an einem Speed-Dating, an dem er seinem Radiokollegen Murray zu Liebe teilnimmt, scheint eine Wendung in Xaviers Leben herbeizuführen. Die quirlige und lebenslustige Putzfrau Pippa entstaubt nicht nur Xaviers Wohnung, sondern bringt Xavier auch dazu sein Leben zu überdenken. Ist es wirklich besser, sich NICHT in das Leben seiner Mitmenschen einzumischen? Und während Xavier darüber nachdenkt, was er mit seinem Leben anfangen soll, beeinflusst er unbewusst das Leben von elf Menschen, deren Wege er kreuzt, wie im Gleichnis vom Schmetterling, dessen Flügelschlag auf der anderen Seite des Planeten einen Hurrikan auslöst.

Eigene Meinung:
Schon lange habe ich kein Buch mehr gelesen, dass mich so gefesselt, begeistert und berührt hat wie “Elf Leben”, es ist häufig traumhaft schön und manchmal sehr traurig. Zu Beginn wirkte der Schreibstil des Autors Mark Watson stellenweise etwas spröde auf mich, aber da sich die Handlung lange nur um Xavier und seinen Radiokollegen Murray dreht, passte der Schreibstil perfekt zur Geschichte, er wirkte männlich, sachlich und farblos. Die Farben und Facetten kommen erst mit dem Erscheinen von Pippa ins Spiel.
Wie in schnell wechselnden Kameraeinstellungen macht Mark Watson immer wieder einen Schwenk von Xaviers Leben zu den elf Personen, deren Leben durch seine bloße Existenz eine Veränderung erfahren wird. Kennt ihr die Anfangssequenz zu “Die fabelhafte Welt der Amelie”? So ähnlich funktionieren die “Kameraeinstellungen” auf die verschiedenen Akteure dieser Geschichte. Obwohl der Leser das Leben einiger Protagonisten nur am Rande streift, schafft es der Autor dennoch einen mit dem Gefühl zurückzulassen, dass man der Person tief in ihr Innerstes geschaut hat. Genau genommen gibt es in Mark Watsons Geschichte keine Randfiguren, da alle so lebensecht und plastisch wirken. Rückblenden und Zukunftsaussichten in das Leben dieser Personen verstärken dieses Gefühl noch, direkt am Leben dieser Menschen teilzuhaben. Ich habe mit jedem einzelnen von ihnen gelacht und gelitten, ich habe sie gemocht oder verabscheut. Wie oft hätte ich Pippa in den Arm nehmen mögen, dafür wie sie ihr Schicksal meistert, oder Murray in den Hintern treten, weil Xavier für ihn privat und beruflich ständig zurücksteckt und er trotzdem immer weitere Opfer von ihm erwartet, die er ihm jedoch nie dankt, sondern für selbstverständlich erachtet.
Mark Watson ist ein ganz großer Erzähler, der mich auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle mitgenommen hat. Gleich zu Beginn während Xaviers Arbeit als Radiokummerkastentante saß mir öfter ein Kloß im Hals beim Lesen, weil die Geschichten so schön und ergreifend waren. Von Beginn an hat Mark Watson es geschafft meine Neugierde auf Xaviers Schicksal zu schüren, so dass ich unbedingt wissen wollte, welches Ereignis diesen Mann aus ihm gemacht hat, der einerseits als Kummerkastentante arbeitet und andererseits die Einstellung vertritt, das man sich in das Leben anderer Leute nicht einmischen sollte. Im späteren Verlauf, als ich mehr über Xavier selbst erfahren habe und sein “erstes Leben” in Australien, rutschte der Kloß ziemlich hoch und ich war mehr als einmal davor richtig loszuheulen. Wie gerne hätte ich Xavier bei dem Ereignis, welches sein Leben verändert hat, geschüttelt und geohrfeigt und im gleichen Moment wieder in den Arm genommen und getröstet. Ich wollte “Nein” schreien, die Zeit anhalten, die Blätter herausreißen, den Vorfall ungeschehen machen. So schön und poetisch einige Stellen in diesem Buch sind, so ist doch nichts in rosa Tüll und Wattebäuschchen verpackt, Mark Watson zeigt nicht nur die Boulevardstraßen des Lebens, sondern auch die dreckige Gosse mit zerplatzten Lebensträumen. Und dennoch ist dieses Buch so schön, manchmal traurig, nie vorhersehbar, überraschend, voll, pulsierend, lebendig, bunt, himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Der Flügelschlag des Schmetterlings auf der anderen Seite des Planeten hat mein Herz berührt und ich weiß, dass Xaviers Geschichte noch lange einen Platz darin einnehmen wird. Danke Mark Watson für diesen großartigen Roman, der mich gleichzeitig zum Lachen und zum Weinen gebracht hat!

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6 thoughts on “[REZENSION] Watson, Mark – Elf Leben

  1. Man merkt deiner Rezension an, wie sehr dich die Handlung mitgenommen hat. Ich halte weiterhin die Augen nach dem Buch auf, du hat mir auf jeden Fall große Lust auf die Geschichte gemacht (meine normale Quelle für spontane Lesewünsche – die Bibliothek – hat es leider nicht).

  2. @Sara Vielen Dank :)

    @Winterkatze Leider wird das Cover dem Inhalt des Buches nicht annähernd gerecht, hätte mich der Klappentext nicht neugierig gemacht, hätte ich es womöglich gar nicht gelesen und ich denke mal so geht es vielen mit dem Cover… Hoffentlich hat meine Rezension noch mehr Leute neugierig werden lassen ;)

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