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[REZENSION] Carmichael, Clay – Zoë

Clay Carmichael
Zoë
Verlag: Hanser
256 Seiten, Klappenbroschur
ISBN-10: 3446237836
ISBN-13: 978-3446237834
empfohlenes Lesealter: 12-15 Jahre

Inhalt:
Zoës Vater ist bereits seit ihrer frühesten Kindheit verschwunden und deshalb wuchs sie bei ihrer alkoholkranken Mutter und deren wechselnden Liebhabern auf und war die meiste Zeit auf sich alleine gestellt. Nach dem Tod der Mutter nimmt ihr eigenbrötlerischer Onkel Henry – der Bruder ihres Vaters – sie bei sich auf und beide müssen lernen, dass man Freunden und Familie Vertrauen schenken kann und sich nicht immer nur auf sich selbst verlassen oder alles alleine organisieren muss. Neben der zugegebenermaßen erst schwer erkennbaren und sehr spröden Liebe ihres Onkels, der im Alter erst lernen muss für jemanden Verantwortung zu tragen und eine Vaterfigur zu sein und der selbst schwere Schicksalsschläge in der Vergangenheit zu erleiden hatte, stößt Zoë neben viel Liebe und Zuneigung auch in ihrem neuen Leben auf Ablehnung: in der Schule fühlt sie sich ausgestoßen und eingezwängt, viel lieber streunt sie wie der wilde Kater auf dem Grundstück ihres Onkels in der Gegend herum und entdeckt bei ihren Streifzügen in der Wildnis einen alten Wohnwagen, der ein jahrelanges Geheimnis hütet, dass nicht nur Zoës Leben beeinflusst, sondern auch mit ihrer Vergangenheit verwoben ist.

Eigene Meinung:
Clay Carmichael hat mit “Zoë” ihr Debüt im Jugendbuchbereich veröffentlicht, nachdem sie bereits seit Jahren erfolgreich als Bilderbuchautorin und -illustratorin gearbeitet hat. Im Original heißt die Geschichte “Wild Things” und trifft den Inhalt des Buches viel besser, denn nicht nur Zoë ist ein wildes Ding, auch ihr Onkel und der streunende Kater Herr Kommkomm sind wilde Kreaturen, die erst im Laufe der Geschichte lernen Vertrauen zu gewinnen und Liebe nicht nur zu geben, sondern sie vor allen Dingen auch anzunehmen (und zwar ohne, dass dafür eine Gegenleistung erwartet wird)!
Gemeinsam mit dem alten Ehepaar Fred und Bessie bilden Zoë, Onkel Henry und Herr Kommkomm schon bald eine recht ungewöhnliche Art von Patchworkfamilie, die sich in ihrem Zusammensein viel zu geben haben. Besonders beeindruckend ist die reine Lebensfreude, die die alte und todkranke Bessie verströmt und die mit ihrer herzlichen und liebevollen Art den anderen immer wieder zeigt, wie wichtig es ist, dass Leben in vollen Zügen zu genießen und auf sein Herz zu hören!
In den Episoden, die sich zwischen Zoë und Kater Kommkomm abspielen, spiegelt sich Zoës eigenes Leben wider: genau wie Streuner Kommkomm nach und nach lernt Vertrauen zu gewinnen, lernt auch Zoë das mit der Zeit im Zusammenleben mit ihrem Onkel Henry und ihren neuen Freunden. Neben den Charakteren, die Zoës neue Familie bilden spielen auch Figuren aus ihrer Vergangenheit im Laufe des Romans eine Rolle. Diese reflektieren teils Zoës altes Leben, teils widerlegen sie gebildete Vorurteile ihnen gegenüber, so grenzen sich Zoë und ihre Freunde noch weiter von den anderen Personen in dieser Geschichte ab, die in ihrer Ignoranz gegenüber “Anderssein” und Individualität zwar teilweise eindimensional wirken, aber gerade das verstärkt den Unterschied zu den von vorneherein weltoffenen oder den sich während der Geschichte wandelnden Charakteren. So ergibt sich in Summe eine herzerwärmende und facettenreiche Erzählung über Liebe, Freundschaft und Vertrauen, aber auch über Respekt und der Widerlegung von Vorurteilen.
Neben dem tiefgründigen Inhalt, der durch die sympathischen Figuren jedoch nicht oberschullehrerhaft vermittelt wird, sondern durch eine wunderbare Wohlfühlatmosphäre zum Leser transportiert wird, erzeugt der besondere Erzählstil aus zwei unterschiedlichen Perspektiven und der geheimnisumwitterte Wohnwagen samt seiner Bewohner auch Spannung. Die Auflösung gegen Ende war für mich im Detail nicht vorherzusehen, obwohl ich als Leser gegenüber den Teilnehmern der Handlung einen entscheidenden Vorteil hatte: neben der Haupthandlung, die aus Zoës Perspektive erzählt wird, bedient sich Clay Carmichael ihres Charakters Herrn Kommkomm, um dem Leser aus einer ganz anderen Perspektive Einblick in das Geschehen zu gewähren. Zwischen den einzelnen Kapiteln befinden sich immer wieder nur wenige Seiten lange Einschübe, die ein allwissender Erzähler aus der Sichtweise des Katers erzählt und die mit kleinen, aber sehr liebevollen, Schwarzweißillustrationen der Autorin geschmückt sind. Wer keine Bücher aus Perspektive von Tieren mag, muss hiervor nicht zurückschrecken: der Leser teilt weder die Gedanken des Katers, noch “spricht” dieser mit dem Leser, sondern man begleitet ihn nur auf seinen Touren durch die Gegenwart und der Vergangenheit, und bekommt so Dinge zu “sehen”, die den Protagonisten verborgen bleiben.

Fazit:
Ein Plädoyer für mehr Toleranz und Respekt gegenüber Mitmenschen und ein herzerwärmender Roman über Liebe, Freundschaft und Vertrauen mit wilden Figuren, die einem beim Lesen richtiggehend ans Herz wachsen und die man nur ungerne ziehen lässt, wenn der Buchdeckel über der letzten Seite zuklappt.

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8 thoughts on “[REZENSION] Carmichael, Clay – Zoë

  1. Bei mir steht es schon nach Charlousies Rezension auf der Wunschliste.
    Der Kauf ist für Dezember geplant, da besuche ich Brina, und eine Mayersche Filiale.

  2. Ich muss dieses Buch von einem Pater unserer Schule aus lesen. Ich finde es langweilig und kann nicht versehen wieso es nur positive Reaktionen gibt!

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