Becca Fitzpatrick
Engel der Nacht, Band 1
Verlag: Page & Turner
384 Seiten, Klappenbroschur
ISBN-10: 3442203732
ISBN-13: 978-3442203734
„Wer bist du?“
Der Junge drehte sich um und ging weg, und obwohl Chauncey ihm folgen wollte, konnte er seine Beine nicht zwingen, die Last seines Körpergewichts zu tragen. Als er dort kniete und ihm durch den dichten Regen nachblinzelte, erblickte er auf dem nackten Rücken des Jungen zwei wulstige Narben. Sie liefen nach oben aufeinander zu und bildeten ein umgedrehtes V.
„Bist du – ein gefallener Engel?“
Kurzbeschreibung:
Der Himmel muss warten.
Als Nora ihm zum ersten Mal begegnet, weiß sie gleich, dass seine tiefschwarzen Augen mehr verbergen als offenbaren: Patch wirkt geheimnisvoll, fast unheimlich auf sie, und Nora ist zutiefst fasziniert von seiner rätselhaften Ausstrahlung. Doch zugleich macht Patch ihr auch Angst. Denn immer öfter hat sie das Gefühl, verfolgt zu werden, und sie wird den Verdacht nicht los, dass Patch etwas damit zu tun haben könnte. Irgendetwas scheint mit ihm nicht zu stimmen. Wo kommt er her, warum fühlt sie sich so sehr zu ihm hingezogen – und diese Narbe auf seinem Rücken, was hat sie zu bedeuten? Immer tiefer wird Nora verstrickt in Ereignisse, in denen Himmel und Hölle ganz nah beieinander liegen…
Eigene Meinung:
Die Geschichte überzeugt in erster Linie gar nicht durch eine besonders einfallsreiche oder vielschichtige Handlung, sondern durch eine mysteriöse und düstere Atmosphäre die die Autorin erzeugt. Als Schauplatz hat sie Maine gewählt, das in mir direkt Erinnerungen an Horror-Klassiker von Stephen King wachgerufen hat, besonders der Vergnügungspark mit der uralten Holzachterbahn hat es mir angetan. Becca Fitzpatricks sogartiger Schreibstil und das oftmals schaurige Ambiente sorgten dafür, dass ich dieses Buch in einem Rutsch durchgelesen habe. Nach der letzten Seite habe ich mich wirklich gefragt: was genau war das Faszinierende an diesem Roman? Was schreibst du denn jetzt in deine Rezension? Ich war begeistert, aber das lag weder an der Handlung noch an den Charakteren, ausgenommen Patch, der wirklich sehr heiß ist. Ansonsten ist es eher so, dass ich für Handlung und Charaktere Minuspunkte verbuchen muss, denn es passiert handlungstechnisch eher wenig in diesem Buch, und die Handlungsweisen der Protagonisten ist oft nur sehr schwer, wenn überhaupt, nachvollziehbar.
Überhaupt sind die Charaktere nicht unbedingt große Sympathieträger. Nora ist nicht gerade sonderlich beliebt an der Schule, und ihre Freundin Vee ist gelinde gesagt eine ziemliche Nervensäge. Überzeugen können aber alle Figuren mit einer gewissen Vielschichtigkeit und der dunklen Ausstrahlung, die beinahe jeden von ihnen umgibt. So liegen nicht nur in Noras naher und ferner Vergangenheit Geheimnisse verborgen, die erst nach und nach ans Licht kommen, auch der provokante Patch weckt die Neugierde des Lesers ab der ersten Seite und man kann sich seinem dunklen Charme und seiner rätselhaften Herkunft nur schwer entziehen. Diesen beiden Hauptfiguren werden unter anderem folgende Charaktere zur Seite gestellt: Noras ausgeflippte Freundin Vee, die für Humor, aber auch für viel Unverständnis seitens des Lesers sorgt. Andererseits führt genau ihre zickige, ausgeflippte und oftmals nervige Art dazu, dass man Empathie für Nora entwickelt, weil dieser Unterstützung durch die Freundin fehlt. Des Weiteren spielen zwei Jungs eine große Rolle, Elliot, der von einer Eliteschule an Noras und Vees High-School wechselt, und sich vom netten charmanten Jungen scheinbar zum Bad Guy entwickelt – wobei er damit lange nicht an den coolen und mysteriösen Patch heranreicht, und Jules, der lange Zeit im Schatten Elliots untergeht.
Außer dem plastischen Ambiente und den vielschichtigen Charakteren hat mir vor allem die Idee mit den unterschiedlichen Engeln gefallen. Bei den Engeln gibt es genau wie bei den Menschen gut und böse, und verschiedene Berufungen: neben den gefallenen Engeln gibt es beispielsweise noch Todesengel oder Schutzengel und die Nachkommen aus Beziehungen zwischen gefallenen Engeln und Menschen: die Nephilim.
Das Ende der Geschichte ist soweit in sich abgeschlossen, dass „Engel der Nacht“ auch gut als Einzelband durchgehend könnte, trotzdem weist die Entwicklung bereits das Potenzial für eine interessante Fortsetzung auf, die im Original bereits im Oktober 2010 erscheinen wird und den Titel „Crescendo“ trägt. Bei „Crescendo“ geht es handlungstechnisch hoffentlich von Anfang an zur Sache und liefert mir das Quentchen Lesespaß nach, was mir bei „Engel der Nacht“ noch gefehlt hat.
Aufmachung des Buches:
Die Ausstattung ist mit hochwertiger Klappenbroschur und Zitat aus dem Buch in der hinteren Klappe der bekannten Evermore-Reihe ähnlich, die ebenfalls bei Page & Turner erscheint.
Cover und Titel gehen am Zielpublikum vorbei. Ich hätte das Buch nie unter Jugendliteratur eingeordnet, wenn ich es in der Buchhandlung sehen würde, aber nach der Lektüre würde ich es bereits jungen Leserinnen ab 14 Jahren empfehlen, da die beginnende Romanze zwischen Nora und Patch völlig ohne erotische Momente auskommt und der Gruselfaktor in dieser Geschichte ebenfalls jugendfrei ist.
Ein kleiner Mangel ist in meinen Augen außerdem, dass es keinerlei Anhaltspunkt vor dem Lesen und ohne Internetrecherche gibt, dass es sich bei „Engel der Nacht“ um den Auftakt einer Reihe handelt.
Fazit:
Nach dem beinahe durchgehend düsteren Verlauf der Geschichte war mir das Ende fast zu handzahm. Bei diesem schaurig-schönen Lesevergnügen, was sich perfekt an einem verregneten Tag unter der Bettdecke verschlingen lässt, würde ich mir direkt ein winziges Cliffhängerchen wünschen, damit die Spannung am Schluss nicht derartig verpufft. Allerdings ist ein dickes Plus dafür zu verbuchen, dass man trotz des kleinen Happy-Ends noch nicht vorhersehen kann, in welche Richtung sich Noras und Patchs Geschichte weiterentwickeln wird…
Altmeister des Horrors können abdanken – nun erobern die Engel Maine und sorgen beim Lesen für angenehm schauriges Gänsehautfeeling, da man sich nach dieser Lektüre nicht gewiss sein kann, ob Engel wirklich aus dem Himmel, oder vielleicht doch aus der Hölle stammen?