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[REZENSION] Josten, Husch – In Sachen Joseph

Husch Josten
In Sachen Joseph
Verlag: Berlin University Press
169 Seiten, Hardcover
ISBN-10: 3862800016
ISBN-13: 978-3862800018

Klappentext:
Wer ist Joseph wirklich? Zweimal träumt die Bibliothekarin Helen seinen Tod so real, dass sie es schließlich für eine Weissagung hält. Der Exzentriker ist seit den Tagen im Sandkasten ihr Freund, jetzt fühlt sie sich wie seine Nachlassverwalterin zu Lebzeiten. Während sie in Abwesenheit ihrer Mutter den alten Vater betreut, versucht sie, vorsorglich Josephs Leben zu ordnen. Aber will ein Zyniker überhaupt mit sich und der Welt ins Reine kommen, Wahrheiten finden oder ist eher sie selbst auf der Suche? Helen trifft Martha, Josephs Mutter, und seinen unehelichen Sohn Paco, einen Fernsehkoch. Sie zieht Bilanz, setzt Schlusspunkte. Nimmt sie auch Abschied von ihrem Freund? In Sachen Joseph ist ein in seiner Klugheit ungewöhnliches Debüt, das von Liebe und Freundschaft, von Wahrheit und Wahn erzählt in der Wahrnehmung einer Frau. Die präzise Prosa dieser Beschreibung eines Lebensumbruchs ist liebenswert unsentimental, aber voller Dramatik, kühler Ironie und sarkastischem Witz.
Eigene Meinung:
Es gibt Bücher, die funktionieren in erster Linie durch ein überraschendes Ende, und wenn das Ende nicht zu überraschen weiß, funktionieren sie eben nicht (so gut). So erging es mir leider mit „In Sachen Joseph“, das sicherlich zu begeistern weiß, wenn der Leser erst am Ende merkt, wohin der Hase läuft. Husch Josten spielt mit der Wahrnehmung ihrer Leser und lässt erst am Ende die Katze aus dem Sack, wenn der Tag zur Neige geht, den der Leser an der Seite der Hauptprotagonistin Helen verbracht hat. Passend zum Ablauf sind die Titel einfach nur mit Zeitangaben überschrieben: Sieben Uhr fünfundvierzig, Gegen Mittag usw.
„In Sachen Joseph“ ist weder von der Sprache noch von der Handlung ein besonders gefälliges Buch. Die Handlung definiert sich hauptsächlich über zwischenmenschliche Beziehungen zwischen der Hauptfigur Helen und ihrem sozialen Umfeld. Die Sprache wirkt manchmal sperrig durch die sehr detaillierten Beschreibungen. Die Figuren der Geschichte waren mir zwar nicht grundlegend unsympathisch, aber sie haben mich allesamt unberührt gelassen.
Ich kreide es weniger dem Buch an, dass es mich nicht überzeugen konnte, als vielmehr einem Pressetext, den ich im Vorfeld gelesen hatte, und der zu offensichtlich die Auflösung der Beziehung von Helen und ihrem Freund Joseph aus Kindheitstagen preisgegeben hat. So habe ich mich mit der erwarteten Auflösung vor Augen mehr schlecht als recht durch einen Tag in Helens Leben gehangelt und war am Ende wirklich enttäuscht, dass die Auflösung in genau dem Tatbestand mündete, mit dem ich die ganze Zeit gerechnet hatte. Irgendwie hatte ich während des Lesens trotz allem noch die Hoffnung mit meiner Vorahnung auf dem Holzweg zu sein und von dem Ende überrumpelt zu werden.
Fazit:
Wer dieses Buch noch lesen will, sollte keinesfalls weitere Informationen dazu einholen als den Klappentext! Mit einer unerwarteten Überraschung am Ende weiß das Buch mit Sicherheit zu punkten, so war es für mich leider nur ein durchschnittliches Leseerlebnis, welches mir nicht lange in Erinnerung bleiben wird.
Eine soziale Studie aus dem Leben einer Bibliothekarin, die mit einem überraschenden Ende punktet – WENN es denn überrascht.

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9 thoughts on “[REZENSION] Josten, Husch – In Sachen Joseph

  1. Ich muss zugeben, dass mich weder der Klappentext, noch die Grundidee an sich anmacht. Aber trotzdem bin ich in den letzten Tagen immer wieder über das Buch gestolpert, weil meine Neugierde nicht davon lassen wollte. Ich glaube, das hat sich nun nach deiner Rezension endlich gelegt. *g*

  2. Manchmal denke ich, ich bin einfach nicht für anspruchsvolle Literatur gemacht ;) Ich gebe ehrlich zu, dass ich von einem Buch in erster Linie gut unterhalten werden möchte – und hier war mein vorherrschendes Gefühl beim Lesen: Anstrengung! Ich bin mehr ein Fan von Liebe oder Äkschn, statt Charakter- und Sozialstudien, aber ab und an schadet ein Blick über den Tellerrand nicht und manchmal finde ich dabei auch neue Lieblingsbücher :)

  3. Ich hatte meine intellektuellste Phase wohl auch als Teenager … Da habe ich einen Literaturklassiker nach dem anderen gelesen und mich freiwillig durch Themen gekämpft, die ich heute nur unter Zwang angehen würde. ;)

    Den Blick über den Tellerrand würde ich aber auch nicht missen wollen und genieße es immer, wenn ich als Leser mehr gefordert werde. Trotzdem muss so ein anspruchsvolles Buch irgendeine Seite in mir zum Klingen bringen, damit ich zugreife – und hier wäre es eben nur die Neugier gewesen, was in der Regel zu einer Bauchlandung führt. ;)

    Ich denke auch, dass wir uns neben dem Alltag die unterhaltsame Lektüre durchaus verdient haben. :)

  4. Diesen Pressetext habe ich zum Glück auch erst nach der Lektüre gelesen, sonst wäre ich auch wirklich stinksauer gewesen. *g* Das Blöde ist nur: wenn man das Profil der Autorin auf Facebook aufruft, erscheint genau dieser Schmu dort auch. Das wunderte mich doch sehr – was denkt sie sich dabei? Ohne diesen Überraschungsmoment, den ich erleben durfte, fehlt dem Buch doch einiges. :-/

  5. @Ailis Mittlerweile habe ich einige Rezensionen ergoogelt, die bis ins klitzekleinste Detail alles verraten, noch extremer als der Pressetext! Wer braucht solche Rezensionen??? Ich nicht – dann brauche ich die Bücher nicht mehr lesen, wenn ein Buch bis ins letzte Detail auseinandergenommen und nacherzählt wird *grrr*

    @Winterkatze Stimmt, die intellektuellste Phase liegt bei mir auch gute 20 Jahre zurück :D Schon komisch… Wie mit Kaffee: als Kind wollte ich den unbedingt trinken (schwarz) und heute nur mit soviel Milch/Zucker/Sahne etc. das ich genauso gut Kakao trinken kann :D

  6. @Anette und Ailis: Solchen Umgang kenne ich nur von Literaturwissenschaftlern, denen es weniger um den Lesespaß als um eine Analyse des "Gesamtkunstwerks" geht. Ich finde sowas aber für den "normalen" Leser auch schrecklich enttäuschend.

    @Anette: Ich glaube, in dem Alter saugt man einfach alles auf und interessiert sich für alle Facetten seines Hobbys. Heute hingegen wissen wir, was wir mögen und können gezielt die Sachen raussuchen, die gerade genau passen. Was für eine Zeitersparnis! :D

  7. @Winterkatze Etliche Blogs gehen mit ihren Rezensionen aber mittlerweile auch in diese Richtung. Sind das alles Literaturwisenschaftler bzw. Studenten in dieser Richtung? Auf jeden Fall komme ich mir manchmal so "schäbig" vor mit meinen kurzen Einblicken in die von mir gelesenen Büchern, nur dann denke ich wieder: ich selbst mag keine Rezensionen von über ca. 6000 Zeichen lesen, also gibt es das entsprechende Publikum und die Leserschaft für meine Rezensionen auch :D Ehrlich gesagt, finde ich es sogar manchmal erschreckend, dass ich mich nicht mehr so kurz wie früher fassen kann. Man benutzt irgendwie immer mehr Füllmaterial zum Ausschmücken, und doch sagen 4000 Zeichen manchmal nicht mehr aus wie 1000-2000.

  8. Erst einmal befürchte ich, dass schon nicht wenige Blogs von solchen Studenten betrieben werden – und die verwenden das im Studium erlernte oder die dort übernommenen Ansichten eben auch bei ihrem Hobby. ;) Ansonsten wird auch viel abgeguckt – egal, ob bewusst oder nicht. Und warum sollte "ich" nicht das Ende verraten, wenn ich darüber diskutieren will, wenn alle anderen es auch machen? ;)

    Ich persönlich mag sowohl lange als auch kurze Rezensionen, solange sie aussagekräftig sind. Und für deinen Blog solltest du dich nicht mit anderen Leuten vergleichen. Dein Blog, deine Meinung, deine Worte. :)

    Was das Längerwerden deiner Texte angeht: Vielleicht gehst du inzwischen einfach auch auf mehr Aspekte ein als früher? Hast bestimmte Ansichten im Kopf, denen du widersprechen oder zustimmen willst, denkst darüber nach, ob der Text Zielgruppen-geeignet ist oder vergleichst ihn in deiner Rezension mit anderen Titeln des Autors oder aus dem Genre? Das alles kommt eben im Laufe der Zeit dazu – und genau so finde ich es spannend! :)

  9. Na ja, als "Frau vom Fach" möchte ich gerade aber mal einwerfen, dass gerade Literaturwissenschaftler den Unterschied zwischen einer Rezension und einer detaillierten Analyse kennen sollten. Traurig, wenn dem nicht so ist…

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