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[REZENSION] Radieschen von unten

Titel: Radieschen von unten (OT: Paradis)
Autor: Kim Fupz Aakeson
Illustrator: Kamila Slocinska
Übersetzer: Maike Dörries
Verlag: Mixtvision
Reihe: -/-
empfohlenes Lesealter: ab 8 Jahre
Ausführung: Hardcover, 48 Seiten

Autor:
Kim Fupz Aakeson, geboren 1958, arbeitete lange als Illustrator und Comiczeichner, bevor er sich dem Schreiben von Büchern und Drehbüchern widmete. Bisher sind von ihm rund 40 Titel erschienen. Er wurde mehrfach für seine Werke ausgezeichnet.

Illustrator:
Kamila Slocinska, geboren 1981 in Warschau, machte 2009 ihren Abschluss an der Danish School of Design und lebt und arbeitet in Dänemark. Radieschen von unten ist ihr Debüt als Kinderbuch-Illustratorin. Sie wurde für den White Ravens Katalog 2012 ausgewählt.

RADIESCHEN VON UNTEN

Der Alltag des Bestatters ist grau und eintönig. Fast jeden Tag isst er kalt, weil es ihm zu aufwendig erscheint für sich alleine zu kochen. Haustiere hat er keine, weil sich das nicht lohnt bei der geringen Lebenserwartung. Genauso wenig kauft er Schnittblumen, denn bei denen ist die Vergänglichkeit noch offensichtlicher: sie lassen schnell die Köpfe hängen, verwelken, dann fallen die Blätter ab und schon landen sie auf dem Müll.
Der Bestatter hat ein Geheimnis. Er kann mit Toten sprechen. Und während er sie wäscht, abtrocknet, ihnen ihre schönsten Kleider anzieht und sie frisiert, erfährt er so einiges aus deren Leben, was ihn nachdenklich stimmt…
Da ist ein Opa, der ein langes und zufriedenes Leben geführt hat, ein Landwirt, der nur über das Wetter reden will, eine junge Frau, die sehr traurig darüber ist, viel zu früh aus dem Leben gerissen worden zu sein, obwohl sie noch so viele Dinge unternehmen wollte. Diese junge Frau konnte er mit seiner Vorstellung vom Paradies trösten, doch die Frau, die er einen Tag später in der Leichenhalle hat, lässt sich von seinen Worten nicht beruhigen. Paradies? Paaah! Sie glaubt nicht an ein Paradies. Warum hat der Bestatter so viel Zeit sich um die Toten zu kümmern? Sollte er seine Zeit nicht lieber dazu nutzen, die 1000 Dinge zu tun, die der Frau nun versagt bleiben? Der arme Bestatter schläft von Nacht zu Nacht schlechter, aber die Wende bringt letztendlich ein toter Teppichhändler, der jahraus, jahrein, tagaus, tagein, ein ebenso belangloses, trostloses und ereignisloses Leben geführt hat wie der Bestatter. Und das soll alles sein?
Natürlich besteht das Leben aus Routineabläufen und leider auch einigen Dinge, die man nicht so gerne mag, aber das Leben ist auch: rote Blumen, Fleischbällchen in Currysoße, ein knackiger Frauenpo, der Wind, der am Mantel zerrt, Kinder und Hunde. DAS ist das Paradies. Der Bestatter hat lange gebraucht, bis er gemerkt hat, dass man sich schon an kleinen Dingen freuen kann und man nicht immer zugunsten des Aufwands oder ob etwas nütz oder unnütz ist, auf die Kleinigkeiten, die das Leben erst schön machen, verzichten sollte. Eine Lebensweisheit, die wahrscheinlich jeder kennt, und die man sich doch viel zu selten verinnerlicht. Mit dieser poetischen und klaren Geschichte, die schon Kinder verstehen, ruft man sich wieder ins Gedächtnis, dass es nicht nur die großen Dinge sind, die einen selbst oder andere glücklich machen, sondern gerade die Kleinigkeiten, die man viel zu häufig vernachlässigt oder auf die lange Bank schiebt. Und mal ehrlich: gerade die kleinen Sachen kosten doch meistens nicht viel oder sogar nichts? Haben wir Erwachsenen etwa vergessen, was wirklich wichtig ist im Leben?
Kamila Slocinska hat Kim Fupz Aakesons verrückte Geschichte mit naiven und kindlichen Zeichnungen untermalt, die meistens grau und eintönig das langweilige Leben des Bestatters beschreiben. Nur die Blumen, die für die Veränderung in seinem Leben stehen, sind kunterbunt, leuchtend und in unzähligen Formen vertreten. Die Zeichnungen erinnern oft an Bilder, wie Kinder sie malen würden. Die Blumen bestehen häufig nur aus den farbigen Blütenständen oder haben Gesichter, großformatige Flächen sind grob ausgefüllt und die Haarpracht der einzelnen Protagonisten bestehen aus Bleistiftkringeln oder langgezogenen Strichen. Die Illustratorin und der Autor sind hier eine sehr stimmige Symbiose eingegangen. Beide drücken mit ihren jeweiligen Mitteln aus, dass die Lebensfreude im Kleinen steckt und nur wahrgenommen werden muss, damit sie ganz GROOOOOOOOSS erlebt werden kann.
Meistens sind Bücher über den Tod nur traurig, aber „Radieschen von unten“ ist verrückt, stimmt nachdenklich, hoffnungsfroh und zufrieden gleichermaßen, der Humor ist schräg und die Geschichte so zauberhaft und poetisch, dass man sie eigentlich jedem guten Freund schenken sollte, um ihm ein paar kunterbunte Farbtupfer in den grauen Alltag zu zaubern.

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