Autor: Edward Kelsey Moore
Illustrator: -/-
Übersetzer: Carolin Müller
Verlag: Limes
Reihe: -/-
Ausführung: Hardcover, 448 Seiten
Edward Kelsey Moore wurde 1960 in Indianapolis geboren. Er studierte Musik und Cello an der Indiana University und an der State University in New York. Er ist ein begeisterter aber unbeständiger Gärtner und ein enthusiastischer Amateur-, ehemals Profi-Barkeeper. Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner ist sein erster Roman.
MRS ROOSEVELT UND DAS WUNDER VON EARL’S DINER
„Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner“ ist die Geschichte der Freundinnen Odette, Clarice und Barbara Jean, die alle drei im Abstand von wenigen Wochen unter ungewöhnlichen Umständen in Indiana Anfang der 50er Jahre das Licht der Welt erblicken. Clarices Mutter hatte es sich in den Kopf gesetzt, dass ihr Baby das erste schwarze Kind wird, das in der Universitätsklinik ihrer Heimatstadt zur Welt kommt. Barbara Jeans Mutter wollte ihr darin nacheifern, doch Barbara Jean kam auf Grund vorzeitig einsetzender Wehen auf dem Sofa einer Lehrerin zur Welt und Odette wurde in der Krone einer Platane geboren.
Mama lehnte die Leiter an den Stamm und kletterte hinauf. Dann machte sie es sich in einer Astgabel bequem, so bequem, wie es in ihrem Zustand eben ging, und fing an zu singen.
Zum Spaß sagte Mama immer, dass sie, wenn sie etwas Ruhigeres ausgesucht hätte, etwas wie „Mary, don’t you Weep“ oder „Calvary“, wohl nicht eine so eigensinnige Tochter zur Welt gebracht hätte. Aber sie entschied sich für „Jesus is a Rock“, wiegte sich zu diesem guten alten Gospel und ließ die Beine baumeln, bis sie aus Versehen die Leiter umstieß und nicht mehr herunterkam. Ich wurde um ein Uhr mittags geboren und verbrachte den restlichen Nachmittag auf der Platane, bis mein Vater uns von dort barg, als er um sechs von seiner Schreinerei nach Hause kam, Sie nannten mich Odette Breeze Jackson, als Hommage an meine Geburt unter freiem Himmel. S.21f
Die Geschichte wird im Wechsel in der Gegenwart aus der Ich-Perspektive von Odette erzählt, die mittlerweile Mitte Fünfzig und selbst Mutter und Großmutter ist, und in einer auktorialen Erzählsituation, die über die 60er Jahre im Bundesstaat Indiana berichtet, als Odette und ihre Freundinnen im Teenageralter sind und vom Besitzer Earl von Earl’s All-You-Can-Eat den Spitznamen „Die Supremes“ erhalten.
In Rückblicken aus Odettes persönlicher Sicht und aus der Sicht des allwissenden Erzählers erlebt der Leser hautnah die Jugend der drei Freundinnen mit, ihr Leben in der Kleinstadt Plainview, das Kennenlernen ihrer späteren Partner, die erste Liebe und die Probleme und den kleinstädtischen Rassismus, die im Zusammenleben zwischen Schwarzen und Weißen in dieser Zeit in Amerika noch herrschen.
Die Episoden aus dem Leben der Einwohner Plainviews sind warmherzig, lustig, manchmal spannend, aber auch traurig, genauso, wie es im richtigen Leben dahergeht. Dass die Story nicht einfach nur dahinplätschert wie eine Aneinanderreihung verschiedener Lebensabschnitte dreier ganz unterschiedlicher Frauencharaktere, sondern unterhält und teilweise sogar richtig fesselt, ist dem lebendigen Schreibstil und den teilweise verrückten Ideen des Debütautoren Edward Kelsey Moore zu verdanken. Seine Figuren wirken sicher nicht zuletzt deshalb so wirklich, weil der Autor viele seiner eigenen Hobbies und Vorlieben den Figuren auf den Leib geschrieben hat. Wie Clarice ist er selbst ein leidenschaftlicher Musiker, er liebt das Essen so sehr wie Odette und ist ein begeisterter Gärtner wie ihre Mutter. Er hat einen schrägen Humor und viel Sinn für Situationskomik. So beginnt die Freundschaft zwischen Odette und Clarice auf Grund einer Unterhaltung über die hässlichen Kleider, die Odette von ihrer halbblinden Großmutter genäht bekommt, und Barbara Jean wird die dritte im Bunde, als Odette und Clarice ihr nach dem Tod ihrer Mutter das verunglückte und ungenießbare Traueressen von Odettes Mutter vorbeibringen. So lebendig wie Moores Figuren sind auch die Schauplätze, in denen seine Protagonisten agieren. Man merkt, dass die Kleinstadt, in der Odette und ihre Freundinnen leben, von den Erinnerungen seiner Kindheit inspiriert sind. Als Leser fällt es einem nicht schwer das heiße Klima des Sommers in Indiana zu spüren oder sich in die beklemmende Atmosphäre hineinzufühlen, die auf Grund der Apartheid in den 60er Jahren dort herrscht. Moore bringt dem Leser diese dunkle Episode der Geschichte nicht nur anhand fiktiver Geschichten näher, sondern untermauert und verstärkt die Wirkung seiner Erzählung durch Einflechten historischer Ereignisse wie der Ermordung Martin Luther Kings.
Der Roman erhält eine schräge Note durch den Umstand, dass Odette Geister sehen kann. Nicht nur ihre Mutter und andere verstorbene Freunde und Angehörige, auch Mrs Roosevelt – die für den deutschen Titel des Romans Pate stand – gibt sich öfter ein Stelldichein. Von der engagierten Präsidentengattin zu Zeiten des 2. Weltkriegs ist hier allerdings nichts zu merken. Edward Kelsey Moore saß wohl der Schalk im Nacken, als er Mrs Roosevelt zu einer zügellosen Frohnatur hat werden lassen, die einem Gläschen hier und da nicht abgeneigt ist. Ganz im Sinne von: wer im Leben viel Gutes getan hat, darf im Jenseits ruhig die Sau rauslassen.
„Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner“ ist eine warmherzige Geschichte über drei Freundinnen, die kaum unterschiedlicher sein könnten und trotzdem immer zusammenhalten, in guten, sowie sehr schweren Zeiten, vor denen alle drei nicht gefeit bleiben. Die Geschichte der Dreien vermittelt wunderschön worauf es bei einer wahren Freundschaft ankommt: dass man über Fehler hinwegsehen und vor allen Dingen verzeihen können muss, auch um dem eigenen Glück nicht im Weg zu stehen.
Es ist einfach nur ein richtig gutes Buch … :-)
Jepp :) Ich glaube, in absehbarer Zeit werde ich dann auch mal zu "Gute Geister" als Lektüre greifen, oder "Die Bienenhüterin" in den DVD-Player stecken… so schöne Frauenromane/-erzählungen tun einfach gut :) Auf jeden Fall hoffe ich sehr, E.K. Moore bleibt der schreibenden Zunft erhalten, sein Humor ist einfach klasse!