Redakteur: Anette Leister
Autor: David Whitehouse
Übersetzer: Dorothee Merkel
Verlag: Tropen
Reihe: -/-
Ausführung: Hardcover, 314 Seiten
David Whitehouse wurde 1981 in Nuneaton, England geboren. Sein Debut »Bed« wurde 2010 mit dem »To Hell with Prizes Award« ausgezeichnet. Er lebt in London.
DIE REISE MIT DER GESTOHLENEN BIBLIOTHEK
Das Buch beginnt mit dem Ende und erinnert ein wenig an den Kultfilm „Thelma und Louise“:
Bobby, Val und Vals Tochter Rosa sind mit einem Bücherbus durch England
geflüchtet – warum und vor wem, das erfährt man an dieser Stelle noch
nicht – die Polizei hat sie nun an einer Klippe umstellt und versucht
zumindest die beiden Kinder zu retten. Das Ende ist sehr melancholisch. Bobby,
Rosa und ein Hund stellen sich der Polizei, im Hintergrund stürzt der Bus die Klippen herunter. Danach beginnt das Buch von vorne, nicht zu dem Zeitpunkt, als die Entführung oder Flucht im Bus losgeht,
sondern einige Wochen oder Monate früher, in Bobbys Kindheit, wo er nur einen Freund hat
und von den anderen Kindern unterdrückt und erniedrigt wird. Die Freundschaft der beiden hatte eine schockierende Wirkung auf mich, Sunny, Bobbys Freund, will sich für Bobby zum Cyborg umbauen lassen, um immer zu seinem Schutz an seiner Seite sein zu können. Wie schlecht es Bobby geht, kann der Leser zu diesem Zeitpunkt nur erahnen, dass sein einziger Freund deshalb so weit geht, sich Beine und Arme brechen zu lassen, um während der OPs Metallplatten eingesetzt zu bekommen. Die Kinder scheinen verrückt! Leider geht der Plan daneben, Sunnys Mutter zieht mit ihrem Sohn an die Südküste Englands und Bobby steht wieder einmal alleine auf sich gestellt da.
In dieser Situation macht der die Bekanntschaft zu der behinderten Rose und deren Mutter Val, die für die Reinigung des Städtischen Bücherbuses zuständig ist. Als Die Stadt die Mittel streichen und den Bus schließen wollen und zudem Gerüchte aufkommen, dass Val Bobby entführt und misshandelt, kommt es zu einer Kurzschlussreaktion: die drei hauen mit dem Bücherbus auf eine Odyssee quer durch England ab… und dem Leser wird nun erst so richtig klar, dass die Insassen des Busses vor ihren alten Leben davonlaufen.
Sie treffen auf böse Gestalten, zum Beispiel einen Baron, der ihre Mission beinahe zum Scheitern bringt, aber wie die kleine Dorothy auf ihrer Wanderung durch Oz bekommen sie auch Hilfe: durch den Roboter, der eigentlich mal ein Cyborg werden sollte. Ein Höhlenmensch, eine Königin, eine Prinzessin und ein Junge werden später eine Familie bilden, denn Familie ist nur dem Namen nach eine Blutsbande, eine wirkliche Familie besteht aus Liebe, Hilfe und Zusammengehörigkeit. Ob der Höhlenmensch und seine Familie zusammenfinden, klärt das „Ende“ dieses Buches nicht völlig, aber trotzdem ist es so passend als Abschluss für dieses Buch, wie es nur sein kann, denn…
„Hat diese Geschichte ein Happy End?“, fragte Bobby.
„So etwas wie ein Ende gibt es nicht“, sagte sie. „Gutes ergibt sich aus Schlechtem und Schlechtes aus Gutem und so geht es immer weiter. Genau wie im Leben. Bücher sind das Leben. Es gibt nicht nur den Teil, den du liest. Sie fangen schon lange vorher an. Und sie gehen danach weiter. Alles geht ewig weiter. Du nimmst nur für ein paar Seiten daran teil, für die Dauer eines winzigen, aus der Zeit geschnittenen Fensters.“ (S.138)
Super, Anette, danke für die Besprechung. Eben noch hatte ich das Buch im Laden in der Hand und war so unschlüssig, und jetzt hilfst du mir … :-)
Dann war die Rezi ja wie bestellt :D Ich hoffe, das Buch wird dich genauso begeistern wie mich.
LG Anette