Redakteur: Anette Leister
Autor: Rachel McIntyre
Übersetzer: Jessika Komina, Sandra Knuffinke
Verlag: Magellan
Reihe: -/-
empfohlenes Lesealter: ab 14 Jahren
Ausführung: Hardcover, 304 Seiten
Rachel McIntyre ist in einem Haus voller Bücher aufgewachsen und ihre Leidenschaft für Sprache versucht sie nun als Lehrerin weiterzugeben. Sie weiß, dass Jugendliche gute Geschichten lieben – Geschichten, die ihnen dabei helfen, mit den täglichen Herausforderungen ihres Lebens umzugehen. Rachel McIntyre lebt in Nordengland. „Sternschnuppenstunden“ ist ihr erster Roman.
STERNSCHNUPPENSTUNDEN
In „Sternschnuppenstunden“ vertraut sich die fünfzehnjährige Lara über den Zeitraum eines halben Jahres ihrem Tagebuch an. Passend dazu ist die gedruckte Ausgabe der deutschen Fassung auch äußerlich dicht an einem echten Tagebuch angelehnt: Autorenname und Titel stehen auf einer papiernen Applikation, die Ränder und Stellen des Covers sehen abgenutzt aus, die Vorsatzseiten sind ebenfalls in einem passenden Design gestaltet.
Laras Tagebucheinträge beginnen am ersten Januar. Das Tagebuch hat ihr ihre Granny zu Weihnachten geschenkt.
Eigentlich sind Tagebücher nicht so Laras Ding, zumindest hätte sie sich keines gewünscht, wäre sie danach gefragt worden, doch schnell wird klar, dass das Tagebuch ein geduldiger „Gesprächspartner“ in einer schweren Zeit für Lara ist:
Durch die Insolvenz der Firma ihres Vaters, hat ihre Familie ihr ganzes Vermögen verloren, selbst das Haus konnten sie nicht halten, so dass sie nun in einer Wohnung mit unausstehlicher Nachbarschaft wohnen. Ihre Mutter hat eine Putzstelle bei einer von Laras vermögenden Mitschülerinnen – gefundenes Fressen für die oberflächliche und fiese Molly. Sie mobbt Lara mit deren familiären Situation und erpresst sie zudem, dass ihre Mutter die notwendige Anstellung verlieren würde, wenn Lara zu irgendjemanden ein Wort über die Schikanen verliert, die bald nicht mehr nur in psychischer, sondern auch körperlicher Form stattfinden.
Niemanden wagt sich Lara anzuvertrauen, bis in ihrer Schule der Aushilfslehrer Ben Jagger den Englischunterricht übernimmt, der nicht nur wahnsinnig gut aussehend und nett ist, sondern auch ein Gespür für Laras missliche Lage zu haben scheint.
Oder vielleicht haben die anderen auch nie mitbekommen, wie die Leute mich behandeln. Man braucht schließlich nicht unbedingt eine Tarnkappe, um unsichtbar zu sein, stimmt’s? (S.20)
Da ihre Mutter bis zum Umfallen arbeitet, ihr Bruder noch viel zu klein ist, ihr Vater seinen Kummer in Alkohol ertränkt und ihre Cousine und beste Freundin Emma nicht mehr in der gleichen Stadt wohnt, wird Mr. Jagger bald zu Laras wichtigster Bezugsperson.
Langsam wird mir klar, dass das Schlimmste am Armsein nicht die ollen Klamotten oder das fehlende Satellitenfernsehen sind, sondern der Schaden, den die Familie dabei nimmt. (S.106)
Dabei bleibt es jedoch nicht bei einer normalen Lehrer-Schüler-Beziehung, denn Lara verliebt sich in ihren sympathischen und fürsorglichen Lehrer und auch Mr. Jagger scheint mehr für sie zu empfinden als das berufliche Verhältnis zwischen den beiden vor Gesetz erlaubt.
Dank Ben wird der Teufelskreis aus psychischem und körperlichem Mobbing für Lara zwar erträglicher, denn die Zeit mit ihrem geliebten Lehrer ist für sie wie Sternschnuppenstunden, jedoch sehen sich die beiden bald einem anderen, gesellschaftlichen Problem gegenüberstehen.
Kann Lara das Schuljahr durchstehen, bis Ben Jagger seine Aushilfsstelle an ihrer Schule aufgibt?
„Sternschnuppenstunden“ behandelt das Thema Mobbing, insbesondere auf Grund gesellschaftlicher Unterschiede. Lara war niemals ein wirkliches It-Girl, hatte jedoch zumindest ein paar gute Freunde bevor sie durch den beruflichen Ruin ihres Vaters in der sozialen Unterschicht gelandet ist.
Die finanzielle Misere bestimmt ihr ganzes Leben. Nicht nur das extrem fiese Mobbing in der Schule, auch das Familienleben, welches immer mehr in die Brüche geht, auf Grund Überbelastung und Alkoholismus, führt sie an den Rande eines Selbstmordversuchs. Als Leser kann man stellenweise gar nicht glauben, zu welchen Aktionen ihre Mitschüler fähig sind, und es stimmt abgrundtief traurig zu sehen, dass Lara neben ihrem Tagebuch niemanden hat, dem sie sich anvertrauen kann.
„Sternschnuppenstunden“ hat einen sehr einnehmenden und dringlichen Schreibstil, da man auf Grund der Tagebucheinträge direkt an Laras Gefühlschaos teilnimmt. Zudem sind die täglichen Einträge oft recht knapp und stellenweise umgangssprachlich gehalten, so dass die Seiten nur so an einem vorbeifliegen. Da sich Laras Situation bezüglich des Mobbings und ihrer Verbundenheit zu Ben Jagger immer mehr zuspitzt, baut sich darüber hinaus eine kaum erträgliche Spannung auf, dass man das Buch irgendwann nur noch schwer aus der Hand legen kann.
Gegen Ende war mir Laras Verhalten schon fast zu obsessiv und die Geschichte hätte meinetwegen einige Kapitel eher enden können. Ich hätte mir lieber mehr eigene Gedanken zu Laras und Bens Zukunft gemacht, statt ein Ende präsentiert zu bekommen, aber diese Kritik ist nicht so groß im Vergleich zu der ansonsten überragenden Mobbinggeschichte, dass sie meine Gesamtwertung herabstufen würde.
Rachel McIntyre ist eine wichtige Story über Mobbing, Selbstwertgefühl, familiäre und soziale Beziehungen gelungen, die in meinen Augen unbedingt von vielen Jugendlichen gelesen werden sollte. Oder auch von Erwachsenen… um die Anzeichen bei gemobbten Jugendlichen zu erkennen, die sich niemandem anvertrauen können, um sie durch Hilfe aus ihrem Teufelskreis herausholen zu können.
Hallo und guten Tag,
ja Mobbing besonders in der Schule wird immer noch kleingeredet, weil es ja nicht in das gute Erscheinungsbild einer Schule passt.
Und damit macht es auch die Situation für den einzelnen Schüler der gemobbt wird..leider nicht einfach, ist zumindest meine persönliche Meinung zu diesem Thema.
Danke für diese Buchempfehlung..LG..Karin..