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[INTERVIEW] Interview mit Ute Wegmann

Redakteur: Julia Ehrenberg

Allein hätte Hoover seinen Plan nie verwirklichen können. Der ist nämlich ziemlich abenteuerlich: Er will seinem Großvater zum Geburtstag einen Herzenswunsch erfüllen und mit ihm nach Paris fahren. Aber wie soll das gehen? Die Eltern würden es nie erlauben. Und Geld hat Hoover schon gar nicht. Aber er hat Claudine. Mutig, selbstständig und auch noch Halbfranzösin. Und überhaupt findet Hoover sie großartig. Tatsächlich hat Claudine gleich mehrere gute Ideen, eine ist sogar sehr gut, aber leider gefährlich. Hat Hoover den Mut, das alles mit Claudine heimlich durchzuziehen? Schließlich geht es doch um den Großvater!

Liebe Frau  Wegmann,
Gerade ist ihr neues Kinderbuch Hoover erschienen, eine
wunderschöne Geschichte rund um Freundschaft, Liebe und Träume.

Hoover, die 12jährige Hauptperson, ist eigentlich ein ganz
normaler Junge, aber irgendwie auch ganz besonders. Das zeigt ja schon sein
Spitzname. Wie kamen sie darauf, ihn ausgerechnet nach einem Staubsauger zu
benennen?
Es war
hundert Prozent klar, dass mein Junge Hoover heißen musste, Hoover klang
sensibel, stark und mutig. Ehrlich gesagt, habe ich den Spitznamen nach Klang
ausgesucht. Er war auf einmal in meinem Kopf, vielleicht hatte ich ihn irgendwo
gehört oder gelesen.
Jedenfalls
musste ich mir das mit dem Staubsauger dann nachher überlegen, denn es musste
schließlich eine einfache und nachvollziehbare Erklärung geben.
Das Buch führt Hoover und die Leser nach Paris. Warum
ausgerechnet Paris? Haben Sie, genau wie Hoovers Opa, eine besondere Verbindung
zu der Stadt der Liebe?

Ich
persönlich habe eher eine Verbindung zu Florenz oder Istanbul. Paris mag ich schon
auch, aber es sollte nicht so weit entfernt von Köln sein und trotzdem ein
fremdes Land mit einer fremden Sprache. Und Paris galt als Stadt der Liebe in
der Generation des Großvaters. Das passte für mich gut zu Opa.
Welche Botschaft wollen Sie mit dem Buch vermitteln?

Ich wollte
vor allem die Geschichte eines unglücklichen Jungen erzählen, der immer
darunter leidet, der Jüngste, der Kleinste zu sein.
Ich wollte,
dass er es schafft, über sich hinauszuwachsen, sich zu ändern, vielmehr seinen
Blick auf sich selber zu verändern und so selbstbewusster wird: durch Mut,
Phantasie, Liebe und den Respekt einer fast gleichaltrigen Freundin.
Alles
andere, was noch in der Geschichte ist, hat sich beim Schreiben entwickelt.
  • Die Frage, ob man etwas Verbotenes
    tun darf, wenn man etwas Gutes damit bezweckt, das betrifft ja beide – Hoover
    und Claudine.
  • Wie schön und wichtig eine gute
    Beziehung zu einer erwachsenen Person sein kann, die man liebt und von der man
    vor allem bedingungslos geliebt wird.
  • Dass man auch mal ein Geheimnis
    haben darf.
  • Und wie schön und interessant und
    abwechslungsreich meine Stadt Köln ist.
  • Wer weiß, was noch so alles drin
    steckt ….

Schlummerte die Idee zum Buch schon lange in Ihnen? Oder
entstand sie ganz spontan und wurde schnell umgesetzt?

Zuerst wollte ich über Jungs schreiben, die wenig
Selbstbewusstsein haben, weil sie körperlich klein sind. Dann war mir das
plötzlich zu wenig… und dann hat sich die Idee mit dem Opa und Claudine
ergeben.
An der Geschichte habe ich lange gearbeitet, die kam
nicht so einfach in mein Leben.
In dem Buch geht es auch darum, wie weit man gehen darf.
Rechtfertigen gute Ziele schlechte Taten?

Darauf gibt es keine pauschale Antwort, oder wenn dann
die Antwort: Das kommt ganz darauf an. In Hoovers und Claudines Fall ist
eigentlich klar, dass Hoover sich nur darauf einlässt, weil er alles
„Geliehene“ wieder zurückgeben wird. Und von der Reise mit Opa ist er
überzeugt, weil der Großvater ja entlassen werden soll. Er würde nie den
Großvater in Gefahr bringen.
Auch Claudine meint, dass sie das Richtige tut, weil
sie so viel Gutes von Frau Albertocchi bekommen hat und sie es nicht erträgt,
dass die alte Frau in einer reichen Gesellschaft so leben muss. Aber Claudine erlebt
durch Hoover, dass das nicht der richtige Weg ist und ändert sich.
Hoover ist nicht ihr erstes Kinderbuch. Was ist das
Besondere und Tolle daran, für Kinder zu schreiben?

Es ist eine immense Herausforderung, sich in das
Gefühlsleben der jungen Protagonisten zu versetzen. Aber das macht auch den
riesigen Spaß. Ich hoffe, es gelingt mir, Gefühle und Gedanken junger Menschen
in Dialogen und im Text auszudrücken. Ich möchte versuchen, auf der Seite der
Kinder und Jugendlichen zu stehen und ihnen durch meine Geschichten eine Stimme
zu geben.
Könnten Sie sich vorstellen, auch für Erwachsene zu
schreiben? Und vielleicht in ganz anderen Genres, vielleicht im Bereich Fantasy
oder Krimi?

Auf jeden Fall kann ich mir das vorstellen. Es gibt
auch Geschriebenes, das ist aber noch nicht fertig, das muss noch reifen wie ein
guter Käse.
Für Fantasy eigne ich mich nicht. Krimi, hm, das kann
ich nicht einschätzen, aber ich glaube, da gibt es viele, die das besser können
als ich.
Ich finde das normale Leben schon ziemlich spannend und
aufregend und verschlungen und unübersichtlich, da braucht es in meinen
Geschichten nicht auch noch Tote oder Entführte oder brutale Verbrechen.
Sie schreiben nicht nur Bücher sondern auch Drehbücher. Wie
sehr unterscheidet sich das Schreiben eines Buches von dem Schreiben eines
Drehbuches?

Das würde nun Seiten füllen, diese Frage zu
beantworten. Ich mache es kurz: Wenn man Drehbücher schreibt, hat man ja nur
Dialoge. Alles andere wird in Handlung, Ausstattung, Kostüm, Musik usw.
erzählt. Und der Dialog sollte nicht das aufgreifen, was man ohnehin im Bild
sehen kann. Alles, was ich beim Film in einem einzigen Bild oder in einer Szene
mit Musik sehe, muss ich atmosphärisch im Roman in Worte umsetzen.
Es ist eine völlig andere Art zu schreiben.
Was macht Ihrer Meinung nach ein gutes Kinderbuch aus? Und
was einen guten Kinderfilm?

In einem guten Kinderbuch müssen differenzierte Figuren
auf eine glaubwürdige und nachvollziehbare Weise etwas Spannendes erleben, das
mich neugierig macht, das mich berührt oder mich zum Lachen bringt.
Egal, ob in der realen Welt oder in einer fantastischen
Welt, egal, ob hier oder auf einem anderen Kontinent. Im besten Fall habe ich
nach dem Lesen das Gefühl, jemanden kennen gelernt zu haben, von dem ich
möchte, dass er mein Freund/in wird.
Interessanterweise gelten die gleichen Kriterien für
den Film.
Was lesen Sie aktuell?

Ich lese gerade nur für mich das Buch des
Friedenspreisträgers Navid Kermani, „Ungläubiges Staunen“ über das Christentum.
Im Kinderbuch freue ich mich auf „Frohe Weihnachten,
Zwiebelchen“ von Frida Nilsson. Als letzten tollen Jugendroman habe ich
„Rabensommer“ von Elisabeth Steinkellner gelesen. Superbuch! Müsst ihr lesen!
Und ein herausragendes ABC-Buch: „abc.de“ von Iwona
Chmielewska, eine großartige, sehr kunstvolle Reise durch Deutschland und die
Kultur.
Was war ihr Lieblingsbuch als Kind?

Als ich Kind war, hatte ich nur wenige Bücher und es
gab auch einfach nicht so viele wie heute.
Mein absolutes Lieblingsbuch war „Pippi in
Takatukaland“ von Astrid Lindgren. Und alle Pippi-Bücher. Und unbedingt „Wir
Kinder aus Bullerbü“.
Warum kann ich nicht so eine tolle Kindheit haben, habe
ich mich jeden Winter gefragt. Warum bloß nicht?
Gibt es ein Buch, das ihrer Meinung nach mehr Aufmerksamkeit
verdient hätte? Das Sie uns besonders ans Herz legen wollen?

„Rabensommer“ habe ich oben schon genannt.
Ach, ja, es gab ein Buch, wahrscheinlich vergriffen,
das hieß „Massel“, hier erzählen jüdische Holocaust-Überlebende. Es ist wie
eine Art Comic mit Fotos, genauer gesagt mit Filmstills. Ein beeindruckendes
Buch, das mich nachhaltig beschäftigt.
Ansonsten: Wo soll ich anfangen, wo soll ich enden? Es
gibt so viele phantastische Bücher für junge Menschen.
Eins muss ich noch nennen: Favel Parrett: Jenseits der
Untiefen, Hoffmann & Campe. Unbedingt lesen!
  

Vielen Dank für das Interview! 

Ute Wegmann ©thekla ehling

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