Redakteur: Anette Leister
In der Mainzer Filiale des Hugendubel Am Brand ist es mittlerweile zur Tradition geworden, dass Helge Weichmann dort seine Bücher präsentiert, so auch seinen ersten Roman, der nicht Tinne und Elvis als Hauptfiguren hat, sondern Maja Rossi, die es als Schwangerschaftsvertretung für ihre Freundin als Briefträgerin in das rheinhessische Dorf Gertelsheim verschlägt.
Der klassische Whodunit war eigentlich Weichmanns erstes Buch, welches er jedoch vor einigen Jahren nicht bei seinem heutigen Verlag Gmeiner platzieren konnte, da dieser normalerweise nur Krimi-Reihen, und keine Einzeltitel veröffentlicht. Nachdem Helge Weichmann nun jedoch Erfolg mit seiner Schand-Reihe hat, hat nun auch sein Einzeltitel und Erstlingswerk ein Zuhause im Gmeiner Verlag gefunden.
Obwohl im Buch, bevor es mit der eigentlichen Geschichte losgeht, allerlei Daten rund um Gertelsheim festgehalten sind, unter anderem der Webauftritt, existiert Gertelsheim nicht wirklich – es ist auf Anraten seitens Lektorats ein fiktives Dorf geworden und auch sein Schriftstellerkollege Andreas Wagner hat es Helge Weichmann bestätigt: wenn man eine Geschichte in einem kleinen Ort spielen lässt, wird es immer wieder Leser geben, die sich beschweren, weil sie sich in den handelnden Figuren wieder zu erkennen meinen.
Helge Weichmann präsentiert seine Ortsschöpfung jedoch so real und mit viel Hintergrund, dass er tatsächlich schon von einem Leser angeschrieben wurde, wo Gertelsheim denn liege, er würde es nicht finden können.
Aber auch sonst präsentiert sich Gertelsheim wie eine waschechte rheinhessische Ortsgemeinde: so viele Klischees werden hier bedient, in denen wirklich jeder „Rhoihess“ seine Nachbarn, sich selbst oder die Ortsstruktur wiedererkennen kann. So haben es „Zugezogene“ allgemein in kleinen Ortschaften schwer in der eingeschworenen Gemeinschaft Fuß zu fassen, und ein Schlappmaul, eine Babbelschnut, oder – wie es Helge Weichmann als gebürtiger Pfälzer sagen würde – eine Retsch, kennen wohl auch die meisten Dörfler.
Neben Szenen aus der endgültigen Fassung des Buches, bot Weichmann in seiner Lesung auch eine gestrichene Szene, denn ursprünglich hatte er seine Postbotin als Hobbykrimiautorin angelegt, dies blies die Handlung jedoch zu sehr auf, so dass Maja Rossis Hobby letztendlich dem Rotstift zum Opfer fiel.
Ganz besonders gerne besuche ich die Lesungen von Helge Weichmann wieder und wieder und wieder, nicht nur, weil mich seine Bücher sehr gut unterhalten, und auch nicht nur, weil er ein großartiger Entertainer ist, sondern vor allen Dingen deshalb, weil er sich jedes Mal etwas einfallen lässt, was seinen Lesern und Zuhörern einen Mehrwert zum Buch bietet.
Bei dieser Lesung ging er neben dem Inhalt ausführlich darauf ein, wie ein Manuskript zum Buch wird, insbesondere hinsichtlich der Cover- und Titelfindung.
Das erste Cover oben links zeigt eine Zeichnung seiner Partnerin, die es zwar nicht auf das Cover des Buches geschafft hat, dafür jedoch ins Innere des Buches, denn Gmeiner bevorzugt Fotos zur Covergestaltung. Unten links ist die beinahe endgültige Fassung zu sehen, die es letzten Endes auf das Buch geschafft hat. Oben und unten rechts sieht man zum einen das Cover, das Weichmann überhaupt nicht mochte, sowie das, welches sein persönlicher Favorit war, ich denke sein Gesichtsausdruck lässt darauf schließen, welches Cover er mochte und welches nicht, oder ;)
Auch die Titelfindung gestaltete sich als schwierig. Gmeiner hat in der Regel für sämtliche Krimis Einworttitel, nur ließ sich da nichts finden für Maja Rossis Geschichte. Also bat Helge Weichmann um zwei Wörter und kam so schnell auf den Roten Hahn, der als Sinnbild für einen Brand steht. Dummerweise gab es mit dem Titel bereits einige Bücher, so dass Helge Weichmann um zwei weitere Wörter bat, und da die Schwarze Sonne ebenfalls eine Rolle in der Geschichte spielt, entstand so der endgültige Titel.
Zum Abschluss gab uns Helge Weichmann noch einen kurzen Exkurs in der Erstellung von Werbetexten, die eine lästige, aber sehr notwendige Pflicht für jeden Autor, darstellt, da Rücken- und/oder Klappentexte den Leser ja zum Kauf animieren sollen und wies auf eine Besonderheit in „Schwarze Sonne Roter Hahn“ hin: hier zählen die Seitenzahlen wie in einem Countdown zurück, bis zu dem Moment, wenn der Rote Hahn kommt, ab dann zählen sie wie gewohnt von Seite 1 aufwärts. Dies muss für den Verlag eine sehr aufwendige Sache gewesen sein, da so jede Seite händisch gesetzt werden musste, denn eigentlich zählen Seiten ja nicht rückwärts und mit einem Minuszeichen vor der Zahl.
Alle Tinne und Elvis Fans dürfen sich in diesem Jahr auf noch weiteren Lesestoff von Helge Weichmann freuen: bereits im Sommer geht es mit den beiden weiter in dem vierten Teil der Schand-Reihe „Schandglocke“.