Redakteur: Anette Leister
Birgit Hedemann wurde 1964 in Oldenburg geboren. Nach dem Studium der Theologie, das sie nach Berlin führte, arbeitete sie einige Jahre in einem Kinderheim. Jetzt lebt sie mit Mann und drei Kindern in der Nähe von Oldenburg auf dem Land. Dort hat sie einen großen Garten, in dem sie Blumen und alte Gemüsesorten züchtet. Neben dem Garten gehört ihre Leidenschaft dem Schreiben von Kinderbüchern und dem Weben am Webstuhl.
Spannende Zeitreise auf den Spuren der Nachtkerze
Mette und Theo müssen die Samen alter Gemüsesorten finden, um Almas geheimen Garten zu retten. Diesmal machen sie sich auf die Suche nach der Nachtkerze und landen mit dem magischen Tulpenbaum beim Dichter Goethe in Weimar. Doch selbst der große Pflanzenkenner hat noch nie von einer Nachtkerze gehört. Woher sollen sie jetzt nur die Samen bekommen? Die brauchen Mette und Theo aber dringend, um wieder zurück in ihre Zeit reisen zu können. Zum Glück kommt Goethes Sohn Gustel ihnen zu Hilfe…
Liebe Frau Hedemann,
waren Sie schon immer von Pflanzen fasziniert und wie kam es dazu, dass Sie sich besonders für alte Gemüsesorten interessieren?
Ich bin auf dem Land groß geworden. Meine Eltern hatten immer einen großen Gemüsegarten. So war es für mich völlig normal, dass man selber sein Gemüse im Garten anbaute. Besonders interessiert habe ich mich für das Gemüse oder für Pflanzen aber nicht. Wie gesagt, die gehörten einfach dazu.
Auf alte Gemüsesorten bin ich dann das erste Mal in Berlin aufmerksam geworden, wo es mich durch mein Studium hin verschlagen hatte. Ich habe dort meinen Mann kennengelernt und unsere beiden ältesten Kinder haben dort noch das Licht der Welt erblickt. Als unsere älteste Tochter dann ihre ersten richtigen Mahlzeiten bekam, wollte ich keine Gläschen verfüttern. So landeten wir in einem Naturkostgeschäft, wo wir eine „Gemüsetüte“ abonnierten. In einer der ersten Tüten befand sich Mangold, von dessen Existenz ich bis dahin nichts wusste. Zum Glück lagen der Tüte auch Rezepte bei und wir waren vom Geschmack des Mangolds begeistert. Auch andere „alte“ Gemüsesorten nahmen so bei uns Platz am Tisch, z.B. Rote Beete und Pastinaken.
Fast zwei Jahre später haben wir Berlin verlassen und sind in ein Einfamilienhaus mit großem Garten nach Friesland gezogen. Dort habe ich mir dann einen Gemüsegarten angelegt, in dem auch die alten Gemüsesorten nicht fehlen durften.
Wie entstand aus dieser Faszination die Kinderbuchreihe „Almas geheimer Garten“?
Die Idee zu dieser Buchreihe ist mir während eines Urlaubs in Dänemark gekommen. Unsere drei Kinder hatten damals mehrere Bände einer Zeitreise-Reihe im Gepäck, die wir alle zusammen gelesen haben. Das erste Buch hat mich damals sehr fasziniert, weil ich dachte, dass das eine nette Art und Weise ist, Kindern Geschichte näherzubringen. Spätestens nach dem dritten Band war ich genervt, weil sich in den Büchern nur die üblichen Klischees fanden und sie dann doch recht platt und eintönig daherkamen. Ich habe mir damals überlegt, dass das auch besser gehen muss. Zusammen mit meinem Mann und unseren Kindern habe ich dann den Faden weiter gesponnen und so ist die Idee zu dieser Reihe entstanden. Mette hat übrigens ihren Vornamen aus einem dänischen Telefonbuch, das damals im Ferienhaus auslag.
Welche Bücher haben Sie selbst als Kind gelesen?
Ich war als Kind regelrecht büchersüchtig und habe so ziemlich alles gelesen, was man aufschlagen konnte. Jeden Pfennig meines Taschengeldes habe ich für Bücher ausgegeben und auch die Bücher in der Gemeindebücherei habe ich teilweise mehrmals gelesen. Typisch Mädchen habe ich Pferdebücher geliebt, z.B. die Britta-Bücher von Lisbeth Pahnke oder auch „Bille und Zottel“ von Tina Caspari. Geliebt habe ich auch die Bücher von Enid Blyton, ganz besonders ihre Abenteuerbücher. Sehr gerne gelesen habe ich auch Detektivgeschichten, z.B. die „Detektiv-Club“-Geschichten von Dieter Conrads. Und auch die Bücher von Astrid Lindgren fehlten in meinem Bücherregal natürlich nicht.
Lesen Sie heute als Erwachsene noch Kinder- und Jugendliteratur?
Ja, natürlich! Wer gut schreiben will, der muss auch viel lesen. Durch jedes gute Buch, das ich gelesen habe, verbessert sich auch mein Schreibstil.
Und vor jedem neuen Buch sehe ich mir erst einmal an, was meine Kollegen schon zu dem Thema geschrieben haben. Dabei begleiten mich dann Fragen, wie: Welche Ideen haben sie schon verarbeitet und wie sind sie das Thema angegangen? Bei meiner eigenen Recherche schaue ich dann, ob ich etwas Interessantes finde, was sich noch in keinem anderen Kinderbuch findet. Bei dem Band „Mit dem Schinkenwurz zu Goethe“ war das nicht allzu schwierig, weil es kaum ein Kinderbuch zu Goethe gibt. Das sah beim Band „Mit der Hammelmöhre in die Steinzeit“ schon anders aus. Deswegen war ich sehr froh, als ich dann etwas darüber gelesen habe, wie die Menschen damals ihre Nahrung zubereitet haben. Das fand sich so noch in keinem Kinderbuch – soweit ich weiß.
Was macht ein gutes Buch für Sie aus?
Ein gutes Kinderbuch muss in erster Linie den Kindern gefallen. Das Buch muss sie so fesseln, dass sie mit dem Lesen kaum aufhören können und womöglich nachts noch heimlich unter der Bettdecke weiterlesen. Entweder, weil das Buch so lustig ist, oder weil das Buch so spannend ist.
Für mich als Erwachsene ist ein Buch dann gut, wenn es mich gut unterhält oder wenn es mich zum Nachdenken anregt. Ein gutes Buch schwingt auch dann noch in mir nach, wenn ich es längst ausgelesen habe.
In Zeiten von Internet, Smartphones und Onlinecomputerspielen – denken Sie, es wird immer wichtiger den Kindern einen Mehrwert zum Buch zu bieten? Bei „Almas geheimer Garten“ finde ich es besonders reizvoll, dass man passend zu der Reihe Rezeptideen und weitere Informationen zu den vorgestellten Gemüsesorten auf ihrer Homepage findet. Bringen Sie dies auch in Ihre Schullesungen ein und wie wird das von den Kindern aufgenommen?
Ich weiß nicht, ob es unbedingt immer eine App oder ein passendes Computerspiel zum Buch sein muss. Generell bin ich aber der Auffassung, dass Kinder am besten lernen, wenn alle ihre Sinne angesprochen werden. Deswegen habe ich nach Möglichkeit auch bei all meinen Lesungen das jeweilige Gemüse mit im Gepäck. Das hängt jedoch logischerweise auch immer ein wenig von der Jahreszeit ab. Wenn ich aus der Hammelmöhre lese, bringe ich immer frisch aufgeschnittene Pastinake mit und auch Hammelmöhrenchips. Beim Schinkenwurz bringe ich essbare Blüten mit oder – wenn der Garten die gerade so gar nicht liefern kann – ein Zuckerbrot, so wie es auch im Haushalt von Goethe gebacken wurde.
Die Kinder finden es immer total spannend, dass es diese komischen Gemüsesorten tatsächlich gibt und dass ich sie mir nicht ausgedacht habe. Und das Probieren kommt immer besonders gut an. Mich hat es anfangs selber erstaunt, wie begeistert die Kinder die rohe Pastinake gefuttert haben.
Haben Sie einen persönlichen Favoriten unter den bisher erschienen drei Bänden und über welche Kulturen beziehungsweise Gemüsesorten möchten Sie auf jeden Fall noch gerne schreiben?
Oh, je, das ist eine schwere Frage! Erstaunlicherweise wird sie mir auch sehr oft bei Lesungen gestellt. Die Frage ist ungefähr so, als wenn mich jemand fragen würde, welches meiner drei Kinder ich am liebsten habe. Für sich genommen ist jedes Buch auf seine Weise etwas Besonderes. Die Hammelmöhre ist zum einen etwas Besonderes, weil sie mein erstes Buch überhaupt ist. Und zum anderen, weil ich damit einen Schreibwettbewerb gewonnen habe, dessen Jury eine 2. Grundschulklasse war.
Der Schinkenwurz ist im Moment etwas Besonderes, weil er noch ganz „frisch“ ist und weil ich sowohl Weimar als auch Goethe sehr schätze.
Es gibt noch so viele spannende Kulturen oder Menschen, über die ich noch gerne schreiben würde: Ägypter, Römer, Griechen, Inkas, Germanen, Babylonier, Kelten, Luther (oder Gutenberg oder Cranach) und auch Hildegard von Bingen würde sich anbieten. Als Gemüse fallen mir spontan ein: Rote Beete, Gartenmelde, Guter Heinrich, Haferwurzel, Etagenzwiebel, Grünkohl oder alte Tomatensorten.
Der Schinkenwurz ist im Moment etwas Besonderes, weil er noch ganz „frisch“ ist und weil ich sowohl Weimar als auch Goethe sehr schätze.
Es gibt noch so viele spannende Kulturen oder Menschen, über die ich noch gerne schreiben würde: Ägypter, Römer, Griechen, Inkas, Germanen, Babylonier, Kelten, Luther (oder Gutenberg oder Cranach) und auch Hildegard von Bingen würde sich anbieten. Als Gemüse fallen mir spontan ein: Rote Beete, Gartenmelde, Guter Heinrich, Haferwurzel, Etagenzwiebel, Grünkohl oder alte Tomatensorten.
Steht bei Ihnen im Kopf immer direkt eine Verbindung zwischen einer alten Gemüsesorte und einer Kultur, oder ist eines der beiden zuerst da, wenn Sie sich eine neue Geschichte überlegen? D.h. Sie würden gerne über eine Epoche schreiben und recherchieren dann nach alten Gemüsen aus dieser Zeit, oder Sie haben eine Gemüsesorte, die Ihnen am Herzen liegt und recherchieren dann, aus welcher Zeit sie stammt?
Als ich damals die Reihe geplant habe, stand das Gemüse im Vordergrund. Mittlerweile bin ich ein klein wenig in den recht komplizierten Buchmarkt eingetaucht. Nun schaue ich eher, zu welcher Kultur es noch nicht so viele Kinderbücher für fortgeschrittene Erstleser gibt. Und dann recherchiere ich, ob es ein Gemüse gibt, das zu der damaligen Zeit intensiv angebaut wurde. Dabei spielt es dann auch immer noch eine Rolle, ob es das Gemüse heute noch gibt und ob es auch in unseren Breiten wächst. Wenn nicht, dann hätte Alma damit auch in ihrem Garten Probleme beim Anbau. Und wenn mir dann noch Rezepte bzw. Ideen in die Hände fallen, wie ich das Gemüse in meine Lesungen einbauen könnte, dann passt alles zusammen.
Ist ein vierter Band bereits in Arbeit und wie viele Bände sind derzeit überhaupt geplant?
Ursprünglich hatte ich 9 Bände geplant. Der Südpol Verlag hat mir aber vor ein paar Wochen mitgeteilt, dass sie nur noch 2 weitere Bände verlegen möchten. Das wiederum kann ich mir nicht vorstellen, weil bis zum Ende der Reihe noch verschiedene Handlungsstränge, die sich durch alle Bände ziehen, aufgelöst werden müssen. Zum Beispiel die Fragen, was mit Almas Mann passiert ist und was Olaf im Schilde führt? Das sind Stränge, die man nicht mal eben in ein paar Sätzen auflösen kann. Das Ganze würde dann zu Lasten der eigentlichen Geschichte gehen. Für die Zeitreise bliebe dann kaum noch Zeit bzw. Platz. Meine Manuskripte dürfen nämlich eine ganz bestimmte Zeichenanzahl nicht überschreiten.
Aus diesen Gründen kann ich mir eine weitere Zusammenarbeit mit dem Südpol Verlag im Moment nicht vorstellen. Ob ein anderer Verlag sich vorstellen kann, die Reihe fortzuführen, kann ich im Moment noch nicht abschätzen. Da stehen dann auch rechtliche Fragen an. Ideen für etliche weitere Bände sind also noch vorhanden, liegen aber derzeit auf Eis – leider!
Wie kam der Kontakt zwischen Ihnen und Maria Ernicke zustande? Kannten Sie sich vor dem Projekt, oder hat der Verlag sie zusammengeführt?
Ich kenne Maria Ernicke eigentlich gar nicht. Es ist üblich, dass sich die Verlage um die Illustratoren bemühen. Das kommt mir auch sehr entgegen, weil ich selber überhaupt nicht zeichnen kann. Ich habe einmal versucht, Kontakt zu Maria Ernicke aufzunehmen, habe damals aber nur eine sehr knappe Antwort erhalten, so dass ich das Gefühl hatte, dass das von ihrer Seite her nicht gewünscht ist.
Die Illustrationen bekomme ich immer erst mit der allerletzten Druckfahne zugesendet. Was wie gezeichnet wird, bespricht der Verlag mit Frau Ernicke.
Wie wichtig sind Illustrationen in Kinderbüchern?
Das hängt vom Alter der Kinder ab. Je jünger die Kinder, desto wichtiger sind die Zeichnungen. Meine Bücher richten sich ja an fortgeschrittene Erstleser. In meinen Büchern gibt es auf jeder Doppelseite eine Zeichnung. Das führt dazu, dass der geschriebene Text aufgelockert wirkt und den Erstleser nicht erschlägt. Auch können die noch jungen Leser anhand der Illustrationen überprüfen, ob sie das Gelesene richtig verstanden haben.
Sind neben „Almas geheimer Garten“ bereits andere Projekte in Planung?
Nicht nur in Planung! Gerade fertig überarbeitet habe ich eine Detektivgeschichte, in der verschwundene Katzen eine Rolle spielen. Und im Moment gebe ich gerade einem Manuskript den letzten Schliff, in dem es um den verschwundenen Schädel von Schiller geht.
Außerdem sind wir gerade von einem Urlaub aus Rom und Neapel heimgekehrt. Und da rappelt es schon ganz fürchterlich in meinem Kopf. Wer über meine neuen Projekte Informationen haben möchte, wird übrigens auf Facebook (Birgit Hedemann Autorin) und auf Instagram (birgithedemann) fündig.
Außerdem sind wir gerade von einem Urlaub aus Rom und Neapel heimgekehrt. Und da rappelt es schon ganz fürchterlich in meinem Kopf. Wer über meine neuen Projekte Informationen haben möchte, wird übrigens auf Facebook (Birgit Hedemann Autorin) und auf Instagram (birgithedemann) fündig.
Vielen Dank für das interessante Interview!