Redakteur: Anette Leister
Titel: Anders
Autor: Andreas Steinhöfel
Illustrator: Peter Schössow
Verlag: Königskinder
Reihe: -/-
empfohlenes Lesealter: ab 12 Jahre
Ausführung: Hardcover, 240 Seiten
Andreas Steinhöfel wurde 1962 in Battenberg geboren, arbeitet als Übersetzer und Rezensent und schreibt Drehbücher – vor allem aber ist er Autor zahlreicher, vielfach preisgekrönter Kinder- und Jugendbücher, wie z. B. »Die Mitte der Welt«. Für »Rico, Oskar und die Tieferschatten« erhielt er u. a. den Deutschen Jugendliteraturpreis. Nach Peter Rühmkorf, Loriot, Robert Gernhardt und Tomi Ungerer hat Andreas Steinhöfel 2009 den Erich Kästner Preis für Literatur verliehen bekommen. 2013 wurde er mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für sein Gesamtwerk ausgezeichnet.
Illustrator:
Peter Schössow (* 1953 in Hamburg) ist ein deutscher Illustrator und Kinderbuchautor. Er studierte an der Hochschule für Gestaltung in Hamburg. Seither ist er als Buch-, Presse- und Werbeillustrator tätig. Er arbeitete unter anderem für den Spiegel, den Stern und Die Sendung mit der Maus, wo er auch an der Entwicklung von Figuren und Storyboards beteiligt war. Seine Illustrationen entstehen vorwiegend in Mischtechnik, seit 2003 arbeitet er aber auch mit dem Computer.
ANDERS
Primzahlen sind eine Randgruppe in der Gesellschaft der Zahlen.
Felix hat an seinem elften Geburtstag einen sehr skurrilen Unfall. Zuerst fällt ihm eine der Einsen an den Kopf, die sein Vater zu seinem Geburtstag gerade auf dem Dach montieren wollte, dann fährt ihn seine Mutter mit ihrem Auto gegen die Hauswand.
Felix liegt lange im Koma, genauer gesagt 263 Tage, genauso lange, wie seine Mutter vor elf Jahren mit ihm schwanger war. 263 ist eine Primzahl, überhaupt spielen Primzahlen in dem Buch eine große Rolle, unter anderem hat Anders an einem elften Geburtstag, er wohnt in einem Haus mit der Nummer 17 und vor seiner Geburt war der Name Felix auf dem elften Platz in der Hitparade der Jungennamen, sowie viele Gegensätze.
„Anders“ ist eine ruhige Geschichte, trotz dunkler Geheimnisse, merkwürdiger Vorfälle und ungeklärten Anschlägen, in die die Personen dieser Geschichte verstrickt sind und die sich erst nach und nach bis zum Ende der Geschichte offenbaren. Weil das Buch voller Gegensätze steckt, gibt es aber auch Sachen fürs Herz – keine Panik: keine Liebesgeschichten – zumindest nicht im üblichen Sinne ;)
„Aber es tut gut, mal wieder mit einem Kind zu tun zu haben. Ich hatte ganz vergessen, wie hell ihr seid. Das Licht im Dunkel der Welt. Wirklich, so ist es, ihr strebt der Zukunft als Flammen entgegen: voller Hoffnung, mit dem Glauben an Veränderung. Mir ist dieses Licht abhandengekommen. Ich glaub nicht mehr daran, dass die Dinge besser werden. Aber manche von euch schaffen das, manche tragen das Licht bis ins Erwachsensein, und es gelingt ihnen, die Flamme zu beschützen. Deshalb ist es nicht zu ertragen, wenn ein Kind stirbt. Es nimmt ein Stück Zukunft mit sich in den Tod.“ (S.150)
Andreas Steinhöfel kann auch „Anders“ als „Rico und Oskar“ oder „Die Mitte der Welt“, das beweist er eindrucksvoll mit seinem neuen Buch.
Ich habe keine Ahnung, was ich vor dem Lesen erwartet habe, auf jeden Fall kein zweites „Rico und Oskar“. Das Andreas Steinhöfel aus dieser – zugegebenermaßen sehr lesenswerten Schublade – heraus wollte, hat er allein mit der Titelwahl bewiesen. Trotzdem findet sich auch in seinem neuen Roman viel Vertrautes: zum einen findet man einen Cameoauftritt von Paul aus „Paul Vier und die Schröders“, der wohnte früher nämlich in der gleichen Straße wie Anders. Wie in seinen „Rico und Oskar“ Romanen zeichnet sich auch bei „Anders“ Peter Schössow für die Illustrationen verantwortlich. Passend zu den Verlagsfarben der „Königskinder“ sind diese in warmen Goldtönen gehalten. Im Buchinneren fühlte ich mich warm umfangen und willkommen geheißen, wohingegen das Cover auf mich den Eindruck machte, als wollte das Buch Distanz zu mir wahren. Auch die Geschichte selbst ist ein Wechselbad zwischen Glück und Leid, Licht und Schatten.
Das „Anders“-Sein, beziehungsweise generell Wendungen in unserem Leben durchaus etwas Positives sein können, auch wenn es zunächst nicht den Anschein danach hat, und es sich unter anderem so offenbart, wo die wirklichen Freunde liegen – was sich auch auf die Familie ausweitet – liest man beispielsweise aus dem zunächst etwas seltsam anmutenden Zitat von Anders‘ Mathenachhilfelehrer heraus: „Du warst ein Langweiler. Nett, aber ein Langweiler. In sechzig Jahren wärst du noch genauso nett und langweilig gewesen. In deinem Leben wäre nie etwas Bemerkenswertes passiert. Du kannst von Glück reden, dass du den Unfall hattest.“ (S.139) Tatsächlich schrecken die meisten aber vor jeder Art von Anderssein zurück. Und bei Anders hat sich nach dem Unfall sehr viel in seiner Persönlichkeit und seinem Empfinden, insbesondere anderen Personen gegenüber, geändert.
Ich kann lange nicht behaupten nach einmaligen Lesen alles für mich Wesentliche aus der Geschichte gezogen zu haben, dafür steckt zu viel Symbolik in der Geschichte, zu viele wertvolle und weise Worte des Autors. Ich weiß noch nicht mal, ob ich das Buch Jugendlichen empfehlen würde ab den vom Verlag angegebenen 12 Jahren. Wobei ich nach Beendigung des Buches gedacht habe, dass es absolut auch ein Jugendbuch ist, nur hätte ich vor 25 Jahren ganz andere Sachen für mich aus der Geschichte gezogen als ich es nun aus Erwachsenensicht mache.
Wie schafft Andreas Steinhöfel es nur immer wieder Protagonisten zu erschaffen, die so verdammt real auf mich wirken? Wie kann ein Buch gleichzeitig so glücklich, aber auch traurig machen?
Auf jeden Fall – wieder – ein Werk von Andreas Steinhöfel, bei dem es für mich nicht beim einmaligen Lesen (oder dank Hörbuchausgabe Vorlesen lassen) bleiben wird.