Redakteur: Christiane Demuth
Autor: Franziska Steinhauer
Übersetzer: -/-
Verlag: Gmeiner
Reihe: -/-
Ausführung: Taschenbuch, 374 Seiten
Franziska Steinhauer wurde 1962 in Freiburg geboren und lebt seit 1993 in Cottbus. Sie studierte Pädagogik mit den Schwerpunkten Psychologie und Philosophie. Ihre psychologisch fundierten und ausgefeilten Kriminalromane um Peter Nachtigall ermöglichen dem Leser tiefe Einblicke in pathologisches Denken und Agieren. Mit besonderem Geschick verknüpft sie dabei mörderisches Handeln, Lokalkolorit und Kritik an aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen. Um ihr Wissen im Bereich der Kriminaltechnik auf eine breitere Basis zu stellen, studiert sie Forensic Sciences and Engineering an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) in Cottbus im Masterstudiengang.
DIE STUNDE DES MEDICUS
Die Angst vor einer Bestie geht um, Töchter werden nicht mehr allein vor die Tür gelassen und dann auch noch eine Epidemie sowie Truppenbewegungen. Das Leben in und um Leipzig im Herbst 1813 ist alles andere als leicht. Dr. Prätorius, der die übel zugerichteten Frauenleichen gesehen hat, glaubt nicht, dass es sich hier um ein wildes Tier handelt. Doch was kann ein einzelner Mann schon ausrichten, gegen diverse Gerüchte. Außerdem hat er selbst noch weitaus andere Dinge, über die er sich Gedanken machen muss, denn er wird ins Lager der Franzosen gerufen, um einen ganz besonderen Patienten zu heilen…
Eine halbe Stunde später kniete der Medicus neben dem leblosen Körper.
Die Kehle der Frau war zerfetzt, der Körper übersät mit Verletzungen, die Augen trübe und tief in die Höhlen gedrückt, einzelne Finger fehlten, Lippen und Nase waren angefressen, die Haut schimmerte grün. (S. 35)
Dr. Prätorius hat es wahrlich nicht leicht. Nicht nur, dass die Menschen glauben, er sei ein Scharlatan, da sich die Medizin zu dieser Zeit noch nicht durchgesetzt hatte, er wird auch noch beschuldigt, selbst die Frauen umgebracht zu haben. Woher sonst könne er wissen, dass es sich nicht um ein Tier handelt. Doch Prätorius lässt sich nicht einschüchtern, was ihm die Sympathie des Lesers einbringt. Niemand weiß, ob sein Vorhaben gelingen wird, oder ob er als Einzelner tatsächlich keine Chance hat gegen die Menge, aber er lässt nichts unversucht und dafür hat er Anerkennung verdient.
Franziska Steinhauer nimmt den Leser mit in die Vergangenheit. Obwohl man diese selber nicht miterlebt hat, kann man sich auf Grund der detaillierten Erläuterungen, ein sehr gutes Bild machen. Schließt man die Augen, hat man die geschilderten Situationen sogleich vor Augen, als wäre man tatsächlich vor Ort. Auch die teils altertümliche Sprache lässt den Leser nicht stocken. Sie fügt sich nahtlos in die Erzählung ein.
Spannung wird von Anfang an aufgebaut, denn die Jagd nach dem Täter gestaltet sich alles andere als unbeschwerlich. Hier zeigt sich, dass es damals noch nicht all jene Methoden gibt, denen die Polizei sich heutzutage bedienen kann. Entsprechend langwieriger ist ein solches Verfahren. Doch Langeweile kommt keine auf, zumal sich Prätorius noch in einem weiteren Handlungsstrang befindet, der ebenfalls für Aufregung sorgt. So bleibt das Geschehen ständig in Bewegung und fesselt den Leser von Anfang bis Ende.
„Die Stunde des Medicus“ vereint Historie und Spannung in hohem Maße. Der Leser wird begeistert sein und einige Zeit benötigen, um ins Hier und Jetzt zurückzukehren.