Redakteur: Anette Leister
Autor von „Die Geschichte vom Löwen, der nicht schreiben konnte“ und ganz vielen anderen tollen Büchern :)
Victoria: Wird es einmal einen Löwen geben, der nicht malen kann?
Jetzt wird es erstmal ein Buch geben „Die Geschichte vom Löwen, der nicht schwimmen konnte“.
Wozu muss er denn malen könnte, ist es ein Problem für den Löwen, wenn er nicht malen kann, er müsste auf Tiere treffen, wo das Malen sehr wichtig ist.
Anette: Vielleicht muss er sich das Fell anmalen, um schöner auszusehen als ein Pfau.
Victoria: Wenn der Löwe einen Brief schreibt, könnte er noch was schönes dazumalen.
Man muss sich bei Geschichten immer überlegen, worauf es herauslaufen soll, den Brief musste er schreiben, damit er die Löwin küssen kann. Jetzt muss man sich die Frage stellen, warum muss er malen?
Julia: Geschenke braucht man doch aber auch für die Löwin.
Ja, es geht um ein Geburtstagsgeschenk… Die Löwin hätte Geburtstag, Ich würde es dann noch ausweiten, er kann nicht malen, nicht basteln, und im Tierreich gibt es einen Haufen Tiere, die etwas machen können, ich denke darüber nach, eine sehr gute Idee…
Anette: Wie findest du die Einbindung deiner Bücher in den Grundschulunterricht?
Es ist das Fundament des Erfolgs. Ich bewundere die ganzen Lehrer, die damit arbeiten. Ich bewundere die Magie, die diese Bücher haben. Wenn sie die Aufgabe in der Schule kriegen „Schreibe einen Brief“ zucken sie die Schultern, heißt es „Schreib als Löwe der Löwin einen Brief“, schon legen sie los, der Löwe motiviert, er inspiriert. Ich finde das Klasse, das soll nie aufhören, ich möchte am liebsten jedes Jahr ein neues Löwenbuch machen. Ich hab noch eins im Kopf „Der Löwe, der nicht verlieren konnte“ – das ist ja auch so ein wichtiges Ding, „Der Löwe, nicht schwimmen konnte“ – ein Riesendrama!!! Es gibt so viele Dinge, die man über diese Figur so toll erzählen kann, wo man wieder motiviert, wo man mit Humor an die eigene Unfähigkeit geht.
Victoria: Warum musste der Löwe zählen können?
Das frage ich mich auch manchmal. Ich mochte früher überhaupt keine Mathematik. Eigentlich ist es kein Buch übers Zählen, sondern über die Eifersucht geworden, eher ein Buch für Erwachsene. An den Kindern geht es ein bisschen vorbei.
Anette: Den Humor habe auch ich erst durch eine Buchpräsentation von dir richtig verstanden.
Es geht um Eifersucht, es geht um Familie. Jedes Tier hat eine andere Variation von Beziehung. Für Erwachsene ist das einfacher zu verstehen als für Kinder. Kein Buch ist so lustig wie der erste Löwe. Meistens ist das erste Buch einer Reihe das beste, der erste Löwe, der erste Grüffelo… Die Figur des Löwen und seine Unfähigkeiten haben aber durchaus noch Potential. Nicht kochen – ich habe einen superschönen Text, wo er nicht kochen kann, alle anderen Tiere haben ihre Spezialrezepte und Essensvorlieben, nur er kann nicht kochen und die Löwin will aber mal ein vernünftiges Essen vorgesetzt bekommen.
Anette: Bevor alle verhungern müssen.
Julia: Und damit wäre es das letzte Buch aus der Reihe.
Anette: Gibt es neben Zoran Drvenkar und deiner Ehefrau einen Wunschkandidat für die Zusammenarbeit an einem Buch?
Mit Ulf K. arbeite ich regelmäßig zusammen. Christoph Mett finde ich wahnsinnig toll, aber seine Arbeiten sind für den Kinderbuchbereich etwas zu anspruchsvoll und schlecht verkäuflich (mettador.com).
Von den Autoren muss mal einer Fragen, wenn ein schöner Text kommt, gerne, ansonsten bleib ich beim Zoran, so schön wie er schreibt niemand.
Anette: Neben welchen Autoren fühlen sich deine Bücher im Regal besonders wohl, neben wem möchten sie lieber nicht stehen?
Neben 99% aller möchten sie nicht stehen. Wir Autoren sind wahnsinnig eitel, wir sind spezialisiert auf eine bestimmte Sprache, einen bestimmten Witz, einen bestimmte Moral, wir sind unsere eigenen Inseln. Da passen nicht viele andere Leute drauf.
Leser haben ja auch ihre bestimmten Vorlieben. Wenn du Wallander liest, kannst du nicht plötzlich Konsalik lesen. Du hast deine Vorlieben, und so ist es bei den Autoren auch.
Anette: Gibt es im Nachhinein Buchprojekte, hinter denen du heute nicht mehr stehst oder die du heute anders schreiben/illustrieren würdest?
Nein, eigentlich nicht, auch wenn wir gerade über den Rechenlöwen gesprochen haben. Bis zur Veröffentlichung läuft ein Buch sehr viele Instanzen durch, es kann keine schlechten Bücher von mir geben. Es gibt Texte, bei denen man sagt, gut das sie in der Schublade geblieben sind, aber ab dem Moment, wo du mit Verlegern und Lektoren daran bist und es fertig bearbeitest, gibt es keine schlechten Bücher mehr, du veröffentlichst ja nichts halbgares, höchstens welche, die nicht gut gelaufen sind.
Anette: Auf welches deiner Werke bist du besonders stolz? Welchem deiner Werke hättest du mehr Aufmerksamkeit gewünscht?
Mein bestes Buch, wo die größte Klugheit und die meiste Kunstfertigkeit drinsteckt ist „Die besseren Wälder“, es läuft überhaupt nicht, es sitzt zwischen
allen Stühlen. Das Buch wurde noch nicht einmal für einen Preis
nominiert. Was ist es? Es ist keinem Genre zuzuordnen. Es ist ein perfektes Buch, es hat viele Stellen, wo Text, Bild und Metaphorik der Fabel so passend und berührend zusammenpassen.
Wenn ich ein Buch mache, dann stelle ich mir vor, wie ist die Kritik, was würde ich als Kritiker darüber schreiben? Und das hat bei diesem Buch toll funktioniert, die Kritik hat genau das geschrieben, was bei diesem Buch beabsichtigt war. Und wenn ich Lesungen damit mache, dann funktioniert das auch. Das Buch hat zu viel Tiefe, um ein flacher Publikumserfolg zu sein, aber es macht mich traurig.
Anette: Wird es irgendwann wieder ein „erwachseneres Werk“ wie „Die besseren Wälder“ von dir geben?
Es ist etwas in Planung, damit gehe ich zu einem erwachsenen Verlag, aber den Kinderbuchmann hängt man mir nach, es wird nicht einfach.
Anette: Macht es deiner Meinung nach Sinn, dass Erwachsene deine Bilder-/Kinderbücher rezensieren, oder denkst du, das ist überflüssig, weil sie von ihrem Standpunkt aus eine andere Sicht auf die Bücher haben, auch wenn sie vielleicht versuchen diese aus der Sicht eines Kindes zu beurteilen?
Die Erwachsengruppe ist auch Zielgruppe, denn die Erwachsenen treffen die Kaufentscheidung. Ihr müsst weiter schreiben, ihr seit unsere Multiplikatoren. Ich kaufe nur auf Empfehlungen.
Die Erwachsenen sind auch meine Zielgruppe, denn sie lesen die Bücher gemeinsam mit ihren Kindern. Wenn Kinder Rezensionen lesen, sollen dies ruhig Rezensionen von anderen Kindern sein.
Anette: Was hältst du davon, wenn bei Neuauflagen die Sprache in Kinderbuchklassikern oder gleich das ganze Erscheinungsbild einer Figur modernisiert wird?
Ich lese die Grimmschen Märchen gern im Original. Wenn wir an Stellen kommen mit alten Worten, so schlimm sind die nicht, dann kann ich die erklären, ein Kind wird ja nicht dümmer dadurch. Dann die Diskussion mit den Negerlein, da bin ich für ein Nachwort oder eine Fußnote, oder eine Erklärung vorne im Buch, ich habe auch nichts dagegen, wenn sie es ändern, solange der Autor noch lebt. Ich würde Preussler oder Lindgren doch nie unterstellen, dass das Rassisten waren, wenn dann nur der normale Rassismus, den damals alle gehabt haben, auch die Gutmenschen. Wenn es altertümliche Sprache ist, sollte man es lassen, wenn es diskriminierend ist, kann man immer etwas dazu schreiben. Wir entwickeln uns weiter, wir sind nicht mehr homophob, wir sind nicht mehr abergläubisch bis in die Knochen, wir glauben nicht mehr an die Hölle und das Fegefeuer, das sind gute Entwicklungen, wir müssen nicht denken, dass Farbige und Juden Untermenschen sind. Die letzten Millionen Jahre haben die Menschen immer von anderen geglaubt sie hätten ein Recht darauf sie umzubringen. Bis in die 60er Jahre gab es Rassentrennung. Wenn wir jetzt sagen, Nö, wir machen das nicht mehr, dann können wir das auch deutlich sagen!
Alte Sprache ist schön, das ist nochmal eine ganz andere Sache, aber da putze ich halt die Schuhe statt sie zu wichsen, wenn es anders nicht geht. Ich will ja keine Zweideutigkeit schaffen.
Anette: Eine sehr böse Fee kommt: Schreiben, illustrieren, Hörbücher einlesen: wenn du ab
sofort nur noch eines dieser drei Dinge ausüben dürftest, für welches
würdest du dich entscheiden und warum könntest du auf die beiden anderen
Dinge eher verzichten?
©Julia