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[INTERVIEW] Interview mit Uwe Hauck

Redakteur: Anette Leister

Nicht nur das Buch „Depression abzugeben“ hat mich aus persönlichen Gründen sehr interessiert, ich wollte auch gerne den Autor hinter der Geschichte besser kennenlernen, der in diesem Buch seine eigenen Erfahrungen schildert, in denen ich mich oft selbst wiedererkannt habe.


© Uwe Hauck
Lieber Herr Hauck,

vielen Dank für Ihr Buch „Depression abzugeben“, in dem ich mich in vielen Stellen wiedergefunden habe und ebenfalls herzlichen Dank für Ihre Bereitschaft einige Fragen für unseren Blog „Katze mit Buch“ zu beantworten.
Ist es Zufall, dass Ihr Buch ausgerechnet an einem Freitag, den
13. erscheint?
Hallo Frau Leister,
ja, das Datum hat der Verlag festgelegt ohne Hintergedanken, wobei
ich schon ein wenig grinsen musste, als ich das Datum gehört habe.
Es entbehrt nicht einer gewissen Selbstironie.

„Depression abzugeben“- ohne Gegenleistung wird Ihnen wohl keiner
Ihre Depression abnehmen. Würden Sie denn gegen eine körperliche
Krankheit tauschen, denken Sie, dass man es damit im Leben einfacher
hat, zumindest was die Akzeptanz in der Gesellschaft angeht?
Unbedingt. Mein größter Wunsch zumindest in der ersten Zeit in den
Kliniken war,  ein gebrochenes Bein oder einen gebrochenen Arm zu
haben. Das würde jeder sehen, damit wäre ich als krank akzeptiert.
Denn eine psychische Krankheit sieht man nicht, da gibt es keinen
Verband, keine Pflaster und deshalb glauben es viele auch nicht oder
halten einen schlicht für gesund.
Antidepressiva sind ein Thema, das selbst unter Depressionskranken
auf unterschiedliche Meinungen stößt. Teufelszeug oder manchmal
nicht zu vermeiden, was denken Sie?
Ganz persönlich bin ich froh um meine Medikamente. Das hängt aber
sicher auch damit zusammen, dass ich drei tiefe Krisen erlebt habe,
die letzte der Suizidversuch, weil Medikamente abgesetzt wurden und
meine Depression und die Panikattacken wieder kamen. Es gibt auch
Patienten, bei denen greift kein Medikament und neuere Forschung
vermutet, dass Antidepressiva zum Beispiel sowieso nur bei schweren
Depressionen helfen. So lange man nicht Medikamente als Lösung der
Krankheit sieht, sondern als Stütze, um stabiler und behandelbarer
zu werden, würde ich empfehlen, sich darauf einzulassen.
Schreiben Sie ein weiteres Buch über (Ihre) Depressionen?
Da mein erstes Buch ja mit der gescheiterten Wiedereingliederung und
einem Neustart endet, ja, ich schreibe an einer Fortsetzung, auch,
weil die „Auswilderung“ in die Realität für mich in 2016 noch mal
ein eigenes Abenteuer war. Zudem arbeite ich an einem Jugendroman
über Depressionen, der mittlerweile schon recht weit gediehen ist.
Haben Sie andere biographische Bücher zu Depressionen gelesen?
Sehr bekannt ist ja „Das Monster, die Hoffnung und ich“, dessen
Autorin letztes Jahr letztendlich doch den Freitod gewählt hat.
Erschrecken Sie solche Nachrichten, dass man – selbst wenn es
scheint, als hätte man das Monster besiegt – doch irgendwann wieder
davon eingeholt werden kann?
Gerade „Das Monster, die Hoffnung und ich“ aber auch andere Bücher
wie „Minusgefühle“ habe ich gelesen und war zunächst sehr
beeindruckt jetzt im Nachhinein aber über den Freitod der Autorin
sehr erschüttert. Andererseits würde ich heute nicht mehr behaupten,
einen Suizid nie wieder zu erwägen. Nicht, weil ich es will, sondern
weil mir mein Suizidversuch vor Augen geführt hat, wie schnell eine
scheinbar stabile Situation kippen kann. Aber ich ergreife alle
nötigen Maßnahmen um mich so gut es geht abzusichern. Eine 100%
Garantie zu geben wage ich einfach nicht mehr. Denn sterben wollen
viele nicht. Aber auch nicht mehr das dann scheinbar wertlose Leben.
Falls ja, gibt es Titel, die Sie an dem Thema Interessierten
besonders empfehlen würden?
Ja, einige, natürlich „Das Monster, die Hoffnung und ich“ trotz des
tragischen Endes der Autorin.
„Ziemlich gute Gründe am Leben zu bleiben“ von Matt Haig
„Minusgefühle“ von Jana Seelig
„Drüberleben“ von Kathrin Weßling
„Acht Wochen verrückt“ von Eva Lohmann

Finden Sie es wichtiger mit Ihrem Buch Depressionskranke zu
erreichen und Ihre Erfahrungen mit ihnen zu teilen oder deren
gesunde Mitmenschen für das Thema zu sensibilisieren?
Auf jeden Fall beides. Es soll einerseits Betroffenen Mut machen, zu
handeln, sich helfen zu lassen, bevor es zu spät ist. Aber ich will
auch den „Gesunden“ (Was heißt schon gesund) einen Einblick in die
Krankheit und in die Kliniken geben, damit das Stigmatisieren
psychischer Krankheit endlich der Akzeptanz weicht.
Wie reden Sie mit Menschen, die von der Krankheit nicht betroffen
sind, über dieses Thema?
Sofern die Menschen auf mich zukommen und Fragen stellen, gehe ich
sehr offen mit meiner Geschichte um und beantworte so gut es geht.
Wer mich aber nicht  anspricht, dem erzähle ich auch nichts.
Aufdrängen, messiatisch agieren wäre eher abschreckend.
Welche Reaktionen würden Sie sich von diesen Menschen wünschen,
wenn Sie mit ihnen über Ihre Depression reden?
Was ich mir Wünsche ist offenes Interesse ohne veraltete Klischees
und ehrliches Feedback. Man ist als depressiver Mensch keine
tickende Zeitbombe, die jederzeit bei der falschen Frage in die Luft
geht. Sauer werde ich aber schon, wenn psychisch Kranke für schwach
für Versager gehalten werden. Es ist eine Krankheit, keine
Charakterschwäche.
Sind Depressionen eine Krankheit unserer Zeit oder unserer
Gesellschaft, wenn ja, woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Schwierig. Ich denke, ein großer Teil der Zuwächse ist besseren
Diagnosen und mehr Menschen geschuldet, die es wagen sich behandeln
zu lassen. Aber der Streß, die immer höheren Ansprüche und die immer
schnellebigere Welt tragen meiner Ansicht nach deutlich dazu bei,
dass mehr Menschen Burn Out, Angstzuständen oder Depressionen
bekommen.
Sollten Depressionskranke jedem gegenüber offen mit ihrer
Krankheit umgehen, oder denken Sie, dass es heute leider immer noch
Bereiche gibt, in denen man dieses Thema besser totschweigen sollte?
Mit Sicherheit sollte nicht jeder offen damit umgehen. Zum einen,
weil es immer von der Person abhängt, ob es ihr überhaupt angenehm
ist, offen damit umzugehen. Weil ich es tue,  müssen es nicht
unbedingt alle anderen tun. Zum anderen ist nicht jeder Arbeitgeber
diesem Thema gegenüber offen und manche Menschen sind so
verständnislos, dass auch hier ein offener Umgang eher für Probleme
sorgen würde.
Mir hat eine ebenfalls kranke Bekannte ein Glückstagebuch
empfohlen, damit ich mir bewusst werde, dass das Leben trotz aller
Probleme viele schöne und lebenswerte Momente bereithält. Pflegen
Sie selbst solche Rituale und können eventuell weitere empfehlen?
Ein Glückstagebuch ist eine sehr gute Idee. Ich trage mehrere
Armbänder, um mich bei Panikattacken immer wieder daran zu erinnern,
welche Hilfsmittel ich habe. Rituale sind gut, aber sie müssen einem
leicht fallen, gut im Alltag funktionieren und generell auch
wirkkräftig sein. Nur einen Glücksstein dabei haben, weil der halt
hilft bringt nichts.
Ich habe zum Beispiel meine Depression visualisiert. Bei mir ist sie
ein Einhorn, das ich auch auf Vorträgen oder im Büro dabei habe.
Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen!
Ich hoffe, Sie sind mit meinen Antworten zufrieden, wenn es weitere gibt, einfach melden.
Und vielen Dank für das Interesse an meinem Buch und meiner Geschichte. 

Titel: Depression abzugeben
Autor: Uwe Hauck
Verlag: Lübbe
Reihe: -/-
Ausführung: Taschenbuch, 288 Seiten
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