Redakteur: Anette Leister
Autor: Stefanie Höfler
Verlag: Beltz
empfohlenes Lesealter: ab 12 Jahren
Ausführung: Hardcover, 182 Seiten
Stefanie Höfler, geboren 1978, studierte Germanistik, Anglistik und Skandinavistik in Freiburg und Dundee/Schottland. Sie ist Lehrerin und Theaterpädagogin und lebt mit ihrer Familie in einem kleinen Ort im Schwarzwald. Von ihr erschienen bei Beltz & Gelberg die Romane »Mein Sommer mit Mucks«, »Tanz der Tiefseequalle« und zuletzt »Der große schwarze Vogel«, die alle drei für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert wurden.
DER GROSSE SCHWARZE VOGEL
An einem sonnigen Herbsttag ist auf einmal nichts mehr wie es war. Bens Mutter stirbt ganz plötzlich und hinterlässt Ben, seinen jüngeren Bruder Krümel und deren Vater. In „Der große schwarze Vogel“ erzählt Stefanie Höfler aus Bens Perspektive im zeitlichen Wechsel zwischen „Davor“, „Jetzt“ und „Danach“ wie Ben und seine Familie mit dem Tod der Mutter klarkommen, aber auch davon, wie das Familienleben vor ihrem Tod war, denn der Tod umfasst nie nur den Verlust eines Menschen, sondern auch die Erinnerung an ihn, die in denen weiterlebt, die er zurücklässt.
Das Buch ist sprachlich auf das Niveau der Zielgruppe abgestimmt, aber dennoch anspruchsvoll und aus meiner Sicht auch für ältere Leser empfehlenswert, da es sehr gut beschreibt, wie unterschiedlich sich Trauer auf Menschen auswirken kann. Ben, Krümel und deren Vater gehen ganz unterschiedlich mit dem Verlust und der Trauer um.
Es gibt Menschen, die scheinbar stark sind und den Schmerz alleine verarbeiten, es gibt Menschen, die leise und zurückgezogen trauern und es gibt solche, die ihre Trauer am besten dadurch verarbeiten, in dem sie mit anderen darüber sprechen. Stefanie Höfler stellt diese unterschiedlichen Arten sehr gut an Bens Familie dar, aber auch an einer neugewonnenen Freundin, die für Ben eine große Stütze in der schweren Zeit nach dem Tod seiner Mutter wird. Umgekehrt wird Ben zu einer Hilfe für seine neue Freundin, was ihm bei seiner Trauerverarbeitung weiterhilft.
Gleichzeitig spart die Autorin aber auch Freunde und Familie nicht aus, die durch den Verlust nicht ganz so nah betroffen sind, die aber gleichermaßen trauern und nun vor der Frage stehen, wie sie Ben und seiner Familie am besten beistehen können.
Der Tod ist wie ein Flügelschlag, hatte Ma mal gesagt. Sie liebte solche Sprüche. Wie der Flügelschlag von einem großen schwarzen Vogel, der vorbeifliegt, und sein Schatten fällt kurz auf den, der zufällig darunter sitzt, und etwas länger auf diejenigen, die vielleicht gerade drum herum sind. (S.96f)
Ich finde Stefanie Höflers Buch zum einen sehr authentisch, denn ich kenne Bens Situation aus eigener Erfahrung und habe mich an verschiedenen Stellen wiedererkannt. Schon zu Beginn des Buches konnte ich die Intensität spüren, wie sich Details des Todestages in den Erinnerungen der Hinterlassenen einbrennen, weil die Sinne ganz sonderbar reagieren und sensibilisiert sind, wenn sie mit einer solchen Situation konfrontiert werden.
Zum anderen ist „Der große schwarze Vogel“ eine sehr wichtige Geschichte, da sie aufzeigt, dass nicht jeder Mensch gleich mit seiner Trauer umgeht, und dass es in Ordnung ist, wenn auch die scheinbar starken Parts – wie hier der Familienvater – Schwäche zeigen und Zeit und Hilfe brauchen, um den Verlust zu verarbeiten, um irgendwann wieder soweit zu funktionieren, um ihren täglichen Pflichten nachgehen zu können.
Stefanie Höfler meistert die Gradwanderung zwischen Trauer und Hoffnung, dem „Jetzt“ und dem „Danach“, zwischen Tränen und dem wieder Lachen können, bravourös.
Es ist eine trostspendende Geschichte, die nicht nur jugendliche Leser anspricht, sondern für die ganze Familie geeignet ist und möglicherweise als Stütze oder gar als Hilfe in ähnlichen Situationen dienen kann.
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