Rezension

[REZENSION] Der Katze ist es ganz egal

Redakteur: Anette Wolf

Titel: Der Katze ist es ganz egal
Autor: Franz Orghandl
Illustrator: Theresa Strozyk

Verlag: Klett Kinderbuch
Reihe: -/-
empfohlenes Lesealter: ab 9 Jahren

Ausführung: Hardcover, 104 Seiten
Autor:
Franz Orghandl wurde 1980 in Wien geboren und verbrachte ihre Kindheit zwischen dem 5. Bezirk, der grünen Steiermark und dem südlichsten Zipfel Italiens. Sie arbeitet als Autorin und Übersetzerin.

Illustrator:
Theresa Strozyk, Jahrgang 1979, hat als Kind viel gelesen, viele Filme geguckt und viel gezeichnet. Sie studierte an der Filmhochschule HFF „Konrad Wolff“ Animation – das kommt davon! – und macht Trickfilme für Kinder. Für Klett Kinderbuch hat sie schon Werner Holzwarths beliebte Reimgeschichte „Mag ich! Gar nicht!“ illustriert. Theresa Strozyk lebt und arbeitet in Berlin.

 

DER KATZE IST ES GANZ EGAL

 

„Ich bin niemand anderer als früher“, sagt sie. „Außer, dass ich einer Verwechslung auf die Spur gekommen bin.“ (S.93)

Als Leo seiner Familie erzählt, dass er einen neuen Namen hat und jetzt ein Mädchen ist, ruft dies die unterschiedlichsten Reaktionen hervor. Verständnis und Nachfragen fehlen darunter jedoch. Eltern und Großeltern entgegen bloß, dass man den eigenen Vornamen doch nicht wechselt, und dass Leo verwirrt sei.
Doch Leo ist nicht verwirrt, er ist ein Mädchen, ein Mädchen mit Penis, und das Outing am Esstisch ist der Beginn der witzigen und zugleich einfühlsamen Transgendergeschichte eines kleinen Mädchens aus ihrer Sicht und der Reaktionen ihres Umfelds darauf.

Was sich zu Beginn abzeichnet, zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch. Wie der Titel „Der Katze ist es ganz egal“ schon andeutet, sind es in erster Linie die Erwachsenen, die Schwierigkeiten haben Jennifers tatsächliches Geschlecht zu akzeptieren, der Katze ist es egal und Jennifers Klassenkameraden reagieren im ersten Moment vielleicht etwas albern, verwundert oder gar frech, insgesamt können sich die Kinder jedoch schneller und einfacher auf ihre „neue“ Klassenkameradin einlassen.

Die innere Zerrissenheit Leos/Jennifers wird gut dargestellt durch die wechselnden Pronomen, die in der Geschichte verwendet werden. Da Leo zu Beginn noch versucht seiner biologischen Rolle nachzukommen, um seine Eltern nicht zu enttäuschen, wird die Figur als „er“ bezeichnet.
Im späteren Verlauf wird Jennifer jedoch immer selbstsicherer, nicht zuletzt durch den Rückhalt ihrer Freunde und so tritt im Buch immer häufiger das soziale Geschlecht in den Vordergrund und die Figur erscheint als „sie“.

Das Buch erklärt Transgender kindgerecht und einfach, einfühlsam und mit Humor. Statt wie ein Sachbuch daherzukommen, um den kleinen Lesern Begrifflichkeiten nahe zu bringen, übernimmt diesen Part Jennifers schlaue Freundin Anne. Sie erklärt, was man unter einem biologischen oder sozialen Geschlecht versteht, ohne diese Begriffe überhaupt ins Spiel zu bringen.

Die Geschichte ist trotz, oder auch wegen ihrer Thematik, sehr lustig, was nicht zuletzt auf das Konto der Illustratorin Theresa Strozyk geht, die Franz Orghandls Kinderroman mit genialen Bildern untermalt und ihren Figuren ein Gesicht gegeben hat. Verrückte Szenen werden so noch überspitzter dargestellt und Figuren, die zu Beginn eher engstirnig und ablehnend auf Leos/Jennifers Outing reagieren, auch mal auf die Schippe genommen.

Sehr charmant ist auch das Wiener Flair der Geschichte, welches durch das besondere Vokabular noch hervorgehoben wird. Diese Begriffe wurden für den deutschen Markt unverändert übernommen, aber mit Randbemerkungen innerhalb der Illustrationen für das hiesige Lesepublikum übersetzt.

„Der Katze ist es ganz egal“ ist witzig, warmherzig, rührend und stürzt den Leser in ein Wechselbad der Gefühle. Zumindest aus Sicht eines erwachsenen Lesers. Meistens muss man sich die Lachtränen aus den Augen wischen, aber einige Szenen sind so schön und herzerwärmend, dass sich durchaus die eine oder andere „echte“ Träne in die Augen verirren kann.
Ich empfehle das Buch allen, die Kinder haben, denen sie das Thema näher bringen möchten, aber auch allen, die selbst mehr Verständnis für Gender entwickeln wollen.
Es ist ein tolles Buch, das Aufklärungsarbeit für ein wichtiges und sensibles Thema leistet, ohne die Moralkeule zu schwingen, sondern stattdessen auf Spaß und Humor setzt.

 
 
MUSS ICH HABEN!

 

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5 thoughts on “[REZENSION] Der Katze ist es ganz egal

  1. Oh wir lieben dieses Buch! Es ist schlau, witzig, schön und unverschämt ;-) In unserer Familie gibt es eine besondere Situation, da sich unser Sohn auch als solcher fühlt, selbst wenn uns von den Ärzten schon vor seiner Geburt gesagt wurde, er wäre ein Mädchen. Nun hat er seit einigen Jahren eine aller- und über-beste Freund*in, die sich nicht sicher ist, ob sie sich ihrem angeblichen Geschlecht zuordnen kann oder lassen möchte. Was an der Geschichte unter anderem so gut ist, ist dass sie keinen fixen Weg vorzeichnet, was Jennifers Entscheidung für sie zu bedeuten hat/haben muss. Jennifer hat das Ruder übernommen und das ist richtig, weil es schließlich um ihre Identität geht. Wohin die Reise geht, bleibt offen. Also eine Geschichte für all jene, die sich erst einmal finden wollen und müssen. Also ist die einzige Moral von der Geschicht‘: Gibt es nicht, gibt’s nicht und angehen tut es in erster Linie einen selbst.

      1. Danke Ihnen, dass Sie auf auf ein Buch wie dieses aufmerksam machen :-)
        Erstens ist es eine hervorragend geschriebene kleine Geschichte und zweitens packt es das Thema, welches an sich schon sehr wichtig ist, einmal irgendwie aus einem anderen Winkel an. Ich habe schon ein anderes Buch der Autorin bestellt, bin gespannt!
        Liebe Grüße, Cornelia

  2. Dieses Buch zu lesen fühlt sich an, als sähe man einen Film vor dem inneren Auge. Ich bin in den 90ern vier Jahre in Wien zur Schule gegangen und musste so lachen! Ich finde es gut, dass die Geschichte etwas rückversetzt spielt, noch bevor es für das Thema Transgender bekannte, definierte Ausdrücke gab. So kann man sich von der Wurzel weg mit der grundlegenden Frage „Wer bin ich“ auseinandersetzen.

  3. Dieses Buch ist so lustig und clever! Meine Enkelin wurde als Junge geboren oder das glaubten wir zumindest. Wenn wir versuchen, ihr etwas vorzulesen, das ihre Situation behandelt, kommt es uns immer wieder so vor, als hätte sie „special needs“! Dabei wollte sie nur einen Mädchennamen und passendere Kleidungsstücke. Nicht so bei diesem Buch. Weder werden Betroffene noch Kinder oder Leser überhaupt mit Samthandschuhen angefasst. Das Buch ist auf solch eine authentische Art einfühlsam und das auch nur dort, wo es wirklich den Punkt und Kern trifft. Kein Kitsch, keine Verniedlichungen, keine Behutsamkeit, wo nichts Problematisches dran ist. Genauso finden wir das gut.

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