Kai Meyer: „Ein gutes Buch muss die Leser in die Figuren reinbringen.“
Am Mittwoch war ich im Literaturhaus Frankfurt auf der Arkadien brennt Lesung von Kai Meyer. Ich war zum ersten Mal im Literaturhaus und das Ambiente hat mich sofort eingenommen.
Ursprünglich als Alte Stadtbibliothek 1825 der Öffentlichkeit übergeben, öffnete das Haus seine Pforten erst 2005 wieder, nachdem es im 2. Weltkrieg fast vollständig zerstört wurde: nur die sechs Säulen des Portikus blieben stehen.
Das Literaturhaus liegt, nur von einer Straße getrennt, direkt am Mainufer mit Blick auf den Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen.
Das Gebäude ist nicht nur von außen hui! Auch innen wurde mit Liebe zum Detail eingerichtet und es spiegelt sich an den ungewöhnlichsten Stellen wider, dass man sich in einem Literaturhaus befindet. Auf der Suche nach Toiletten habe ich sicherlich zuerst etwas befremdlich geguckt, da mein Blick zuerst auf die Beschriftung über den Türen fiel, und nach Damen und Herren sucht man im Literaturhaus vergeblich. Wer da nicht liest, wird kein stilles Örtchen für sich finden ;)
Sehr nett fand ich im Erdgeschoss die Idee mit den „Gedichten zum Mitnehmen“:
Ich habe mir dann auch direkt eins ausgesucht was äääh… ich noch nicht kannte :D
Der Lesungssaal, ab dem um 19 Uhr die „Arkadien brennt“ Lesung statt finden sollte war ebenfalls ein passender Rahmen für eine solche Veranstaltung: ein hoher Raum mit Galerie und vielen in die Wand eingelassenen Bücherregalen, dazu viele Lampen, die ein gemütliches Licht ausstrahlten, im Gegensatz dazu war das Lesepult fast ein bisschen zu modern und nüchtern, aber irgendwie war das Zusammenspiel zwischen klassisch und modern doch stimmig.
Punkt 19 Uhr moderierte eine Dame des Literaturhauses Kai Meyer kurz an und schon ging es für die schätzungsweise 60 Zuhörer nach Arkadien.
Kai Meyer eröffnete den Abend mit der Anfangsszene aus „Arkadien erwacht“, als Rosa und Alessandro zum ersten Mal aufeinandertreffen. Nach díeser Passage gab Kai Meyer eine kurze Erklärung zum Mythos Arkadien und dem ersten Tiermenschen Lykaon ab, der sich durch einen Fluch von Zeus in einen Wolf verwandelt wurde. Eine kurze Zusammenfassung von „Arkadien erwacht“ rundete den ersten Teil der Lesung ab und bot einen guten Einstieg für den Nachfolgeband „Arkadien brennt“ für alle Zuhörer, die Arkadien bis dahin vielleicht noch nicht kannten.
Der zweite Teil der Lesung war dem Beginn von „Arkadien brennt“ entnommen. Rosa geht von Sizilien nach New York, auf den Spuren ihres toten Vaters und Tabula. In Amerika trifft Rosa auf den amerikanischen Zweig der Familie Carnevare, die im Central Park Jagd auf Menschen machen, diese sehr actionreiche und recht brutale Szenerie bot den Stoff für den zweiten Lesungspart aus „Arkadien brennt“.
Gegen 20 Uhr war die eigentliche Lesung zu Ende und es folgte eine umfangreiche Fragerunde. (Anmerkung: Hat die Fliege, die Kai Meyer während der gesamten Lesung umschwärmt hat, eigentlich Eintritt bezahlt? Zumindest sorgte sie für ein paar Lacher an diesem Abend.)
* Aktuell schreibt Kai Meyer am dritten Band von Arkadien, der mit ca. 500 Seiten umfangreicher werden wird wie Band 1 und 2. Ob es der letzte Band der Reihe sein wird, weiß er noch nicht. Nach Band 3 wird er auf jeden Fall etwas anderes schreiben, aber Stoff für einen vierten und fünften Band gibt es noch, trotzdem wird der dritte Band weitestgehend abgeschlossen enden.
* Mehr zu Tabula wird man im dritten Band erfahren.
* An Verfilmungen gibt es zu Kai Meyers Büchern bisher nur den Film zu seinem Roman „Gelübde“. Die Wellenläufer sollten ursprünglich von einer amerikanschen Firma als Zeichentrick-Serie adaptiert werden, aber nach einer ca. 1 1/2 jährigen Verhandlungsphase ist dieses Projekt leider der Finanzkrise zum Opfer gefallen.
* Die Reaktion der Leser auf das vorangestellte letzte Kapitel ist durchweg positiv und es wird sehr häufig von ihnen zitiert.
* Die erste Idee zu Arkadien kam durch die Kombination von Monster+Mafia. Kai Mayer kombiniert gerne Dinge, die auf den ersten Blick scheinbar nicht zusammenpassen. Nach einer Recherche über Gestaltwandler und seinem gewünschten Handlungsort (blauer Himmel – Sonne – Meer) ist er auf den Arkadien-Mythos gestoßen. Die Reihe sollte in der Gegenwart spielen, weil er von historischen Romanen erstmal die Schnauze voll hatte.
* Kai Meyer plant seine Bücher bzw. Reihen sehr genau und durchdenkt sie bis zum Schluss, damit am Ende alles rund zusammenkommt. Er schreibt sehr ausführliche Exposes.
* Neben Rosa ist die Alchemistin Aura Kai Meyers Lieblingsfigur aus seinen Büchern. Sie taucht sogar in den Arkadien-Büchern auf. Ja, er hat noch Interesse an dieser Figur, und falls er eines Tages noch etwas über diese Figur erzählen möchte, könnte er es sich durchaus vorstellen, dass es noch eine weitere Geschichte über Aura nach den beiden Büchern „Die Alchemistin“ und „Die Unsterbliche“ geben wird, allerdings stellt sich dann die Frage, bei welchen Verlag er dieses Buch veröffentlichen würde, da er eigentlich nicht mehr mit Heyne zusammenarbeitet. Außerdem empfiehl er den Zuhörern das Hörspiel zu „Die Alchemistin“.
* Von der Idee über Recherche, dem Schreiben und der Abgabe des Manuskripts vergehen bei Kai Meyer in etwa 8 Monate, wobei das reine Schreiben nur etwa 3 bis 4 Monate in Anspruch nimmt, sobald er die komplette Handlung vor Augen hat. Allein von seiner Seite aus durchläuft das Manuskript aber noch 4 bis 5 Korrekturgänge, was das schnelle Schreiben dann wieder relativiert.
* Zum Schreiben gehören laut Kai Meyer neben Talent und Handwerk vor allem Selbstdisziplin.
* Von den Sturmkönigen wird es definitiv keine Fortsetzung geben, ebensowenig vom Wolkenvolk. Er wollte schon immer mal etwas über den Orient und über China schreiben, aber mit den jeweils 3 Bänden hat er alles erzählt, was er erzählen wollte.
* Das Konzipieren und Ausdenken ist Kai Meyer beim gesamten Prozess am Liebsten. Er sammelt viele Stichworte, die er nach und nach wie ein Puzzle zu einem Bild zusammenfügt. Am wichtigsten ist ihm der Entwicklungsprozess einer Figur. Er schreibt lieber über Emotionen als über Kämpfe, denn „ein gutes Buch muss die Leser in die Figuren reinbringen.“
* Hörspiele und gekürzte Hörbücher werden von einem Drehbuchautoren adaptiert. Kai Meyer bekommt diese Adaptionen vorgelegt. Genrell befürwortet er Kürzungen bei Hörbüchern, aber ein Hörbuch kann auch zu kurz geraten, so geschehen bei „Arkadien erwacht“. Dieses Buch wurde für die Hörbuchfassung etwa 1/3 gekürzt und es sind dadurch zu viele Charakterstudien entfallen. „Arkadien brennt“ wurde für die Hörbuchfassung nur um etwa 10% gekürzt. Die Hörbücher von den Wellenläufern und dem Wolkenvolk sind jeweils um ca. 25% gegenüber den Buchvorlagen gekürzt. Genrell sind Actionszenen leichter zu kürzen als emotionale Szenen oder Dialoge. Es besteht immer das Problem, das bei Kürzungen der Stil des Autors verfälscht wird.
* Es ergibt sich immer aus der Dramaturgie der Geschichte, welche und wie viele Handlungsorte und Handlungsstränge Kai Meyer konzipiert.
Gegen 21 Uhr fand die ausführliche Fragerunde ein Ende und Kai Meyer gab den Zuhörern als „Rausschmeisser“ seine Kurzgeschichte „Schau hin“ mit auf den Weg, die in der Kurzgeschichtensammlung „Böse-Nacht-Geschichten“ erschienen ist. (Anmerkung: Vielen Dank! Ich muss spät abends mit der Bahn über FfM und Mz Hauptbahnhof nach Hause fahren und dann noch eine halbe Stunde durch das menschenleere Rheinhessen laufen mitten in der nachtschwarzen Pampa *grusel*)
Danach nahm er sich noch jede Menge Zeit mitgebrachte oder vor Ort gekaufte Bücher und Autogrammkarten zu signieren.
Vielen Dank an Kai Meyer und an das Literaturhaus Frankfurt für den wirklich gelungenen und kurzweiligen Abend! Die zwei Stunden sind in Windeseile verflogen.
Wer Kai Meyer nicht live auf seiner Lesereise erleben kann, hat am Samstagabend die Möglichkeit sich über Lovelybooks eine Livestream-Lesung anzusehen und anzuhören, außerdem könnt ihr über Twitter und Facebook Fragen an Kai Meyer stellen, die dieser gleich im Anschluss an die Lesung beantworten wird.
Aber auch ein Blick in das aktuelle und geplante Programm des Literaturhauses ist lohnenswert:
Das Literaturhaus dankt für den schönen, ausführlichen Bericht! Es war tatsächlich ein wunderbarer Abend. Kommen Sie gerne wieder – ob zur Veranstaltung oder für ein Gedicht zum Mitnehmen. Die wechseln nämlich!
Herzlich, F. A. Lindner
Hallo,
ein wirklich schöner Bericht. Eines lies mich dann aber doch die Stirn Runzeln. Der erste Band heißt eigentlich "Arkadien erwacht", der zweite heißt "Arkadien brennt." Das hat mich beim lesen etwas irritiert. Sonst aber wirklich gelungen. Schade, dass ich die Lesung in Frankfurt verpasst habe, wo ich doch so nahe dran wohne. :(
Hallo,
irgendwie hatte ich das "brennt" so intus, dass ich überall den gleichen Titel hingeschrieben habe :D Danke für deinen Hinweis, ich habe das gleich ausgebessert, mir war es beim Korrekturlesen gar nicht aufgefallen.
@F. A. Lindner
Ganz sicher war der Besuch der Lesung nicht mein letzter Besuch im Literaturhaus, ich fand den Abend wirklich rundum gelungen und habe mir direkt das neue Programm zum Stöbern mit nach Hause genommen.
Wollt ihr wissen, was Kai Meyer über seine Leser denkt?
Hier sein geistiger Erguss: http://kai-meyer-journal.blogspot.com/2007/09/11-september-2007.html
@Cara Danke für den Link, war auf jeden Fall mal interessant zu lesen.