Redakteur: Anette Leister, Kerstin Caywood
Als Vorbereitung auf die diesjährige Frankfurter Buchmesse und insbesondere auf den Ehrengast „Flandern und die Niederlande“ habe ich einige Titel von Autoren aus dem niederländischen Sprachraum gelesen – und bin auch über die Buchmesse hinaus noch mit einigen Titel beschäftigt, deren Rezensionen nach und nach auf dem Blog folgen werden.
Heute geht es um den Autoren Edward van der Vendel, von dem ich gleich zwei Titel im Vorfeld der Messe gelesen habe: „Krebsmeisterschaft für Anfänger“ und das Bilderbuch „Der Hund, den Nino nicht hatte“.
Anette: Dein Buch „Krebsmeisterschaft für Anfänger“ habe ich erst kürzlich gelesen. Das Buch hast du aber nicht alleine geschrieben, sondern mit dem Roy, auf dessen Geschichte der Roman basiert. Wie ist der Kontakt zwischen euch beiden entstanden?
Edward: Meine beste Freundin ist auch eine Schriftstellerin, sie heisst Bibi Dumon Tak Sie ist Roy begegnet und hat mir gesagt, Edward, du hast keine Wahl, du musst diesen Jungen treffen und ein Buch über ihn schreiben. Und da habe ich gedacht, das ist nicht nötig und Krebs ist nicht mein Thema. Damals kannte ich niemanden der Krebs hatte und das war ein bisschen schwierig. Und ich habe auch gedacht, es gibt schon John Greens Roman, ich weiß nicht wie das Buch auf deutsch heißt, es war „The fault in our stars“ (Anette: „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“) und wir könnten das niemals besser machen. Aber Bibi hat gesagt, du musst, also habe ich es gemacht und wir sind einander begegnet und da habe ich gedacht, ok, der Junge ist fantastisch, er kann so gut erzählen, er ist so herzensfroh und auch lustig und er hat direkt gesagt, ja das können wir machen. Und wir haben über das Buch gesprochen und gesagt, wenn wir es machen, dann machen wir es anders und er hat gesagt, mache es so ehrlich wie möglich, das ist es, was ich will. Ich will nicht, dass die Leute nur einen Helden in mir sehen, sondern sie sollen die ganze Geschichte wissen. Ok, habe ich gedacht, das ist eine Möglichkeit. Und ich habe mir gedacht, ich mache das in seinem Ton. Er ist so direkt. Und ich dachte, wenn wir das so machen, dann wird es klappen.
Anette: Und dann habt ihr euch einfach über Email kontaktiert?
Edward: Nein, nein. Wir haben uns getroffen, ich glaube im Laufe eines Jahres fast 40 oder 50 mal. Fast jeden Sonntag haben wir uns verabredet und zusammengesessen, drei Stunden, und er hat nur erzählt. Ich schrieb alles auf, mit der Hand. Das war für 1 Jahr oder auch 1 Jahr und ein halbes. Zu dieser Zeit war er in der 2. Krankheit, wie er sagt. Also, er hatte noch die Panikattacken, aber das wusste ich damals nicht und es hat ein bisschen gestört, wenn er die Geschichte erzählt hat. Unsere Treffen waren gewissermaßen eine Art Therapie für ihn, das habe ich aber nicht gewusst, das hat er mir erst später erzählt. Dann haben wir nur über die zweite Erkrankung gesprochen und nicht über den Krebs. Wir sind auch zum Fußball gegangen, ich habe seine Eltern gesehen und wir haben noch andere Dinge gemacht.
Anette: Seid ihr heute immer noch in Kontakt? Ein Jahr jeden Sonntag treffen und zusammen weg gehen, damit baut man ja eine sehr intensive Beziehung zueinander auf.
Edward: Ja absolut. Ich bin ihm zum ersten Mal begegnet als er 17 oder 18 Jahre alt war und jetzt ist er 21 oder 22. Wir sehen uns noch immer. Manchmal wenn es etwas gibt, was mit dem Buch zu tun hat oder bei Lesungen, zu denen er mich begleitet. Aber auch so zum Spaß. Wir gehen etwas essen und sprechen über alles Mögliche. Alle Leute sind wichtig, aber er ist ein bisschen wichtiger für mich als andere. In dem Buch kann man das lesen, er ist so freundlich, aber auch witzig und tapfer. Er will noch immer Onkologe werden, das wird er auch. Er ist jetzt in USA. Er studiert Medizin. Er hat ein Internship (praktisches Studiensemester), ein halbes Jahr in einer Stelle in Memphis, USA und ich glaube, das ist das beste Krebskrankenhaus in der Welt und da ist er jetzt. Schon sein drittes Jahr als Onkologiestudent.
Victoria: Welchen Krebs hatte Roy?
Edward: Er hatte Lymphknotenkrebs.
Anette: Wie wichtig, denkst du, ist eine starke Persönlichkeit, um eine körperliche Krankheit zu besiegen? Denkst du, dass das unterstützend wirkt?
Edward: Das weiß ich nicht. Ja und Nein. Er hat mir damals erzählt, er fühlte sich wie ein Ritter mit Streitaxt. Er wusste, er wollte gewinnen, aber wusste auch, das es nicht seine Wahl war in diesen Kampf zu ziehen. Ich glaube jeder Krebskranke sagt „ich will gewinnen“, selbstverständlich, trotzdem ist es keine Meisterschaft, das steht auch im Buch. Man hat eigentlich nichts dazu zu sagen. Und er hat es im speziellen erfahren, im zweiten Jahr nach der Krankheit, da hat er entdeckt, dass wenn man körperlich gesund ist noch mentale Probleme bekommen. Das hat er gehabt, und das war viel schwerer für ihn.
Anette: Findest du es einfacher einen Roman zu schreiben, bei dem du dich ausdehnen kannst mit dem Text, oder ist es einfacher den Text für ein Bilderbuch zu verfassen, wo er vom Visuellen begleitet wird?
Edward: Mmmh…, ein Roman ist immer ein Projekt von Jahren, das ist nicht einfach, aber ein Bilderbuch… man kann es eigentlich nicht vergleichen. Es ist kürzer, aber in anderer Hinsicht komplizierter. Was schwierig ist, ist die richtige Zusammenarbeit mit dem Illustrator zu finden. Also zum Beispiel dieser Text („Der Hund, den Nino nicht hatte“), er hat nicht viele Worte, er ist sehr kurz und es ist der Illustrator der die Erzählung macht, und die Balance zu finden ist wirklich schwierig und es ist viel Zusammenarbeit und viel zusammen sprechen wichtig, wenn das möglich ist. Es ist also eigentlich unvergleichbar. Ich kann selbstverständlich 3 oder 4 oder 5 Bilderbuchtexte machen in einem Jahr, und nur ein Roman wie diesen in drei Jahren.
Anette: Wie findet man sich denn für ein gemeinsames Bilderbuch? Sagt der Verlag, Edward, hast du mal wieder Lust, wir haben den und den Illustrator an der Hand? Oder kommst du mit einem Text und es liest ihn jemand und sagt, ich könnte mir denjenigen vorstellen, das er deine Geschichte illustriert?
Edward: Meistens das Letzte. Ich schreibe einen neuen Text und eigentlich weiß ich schon ein bisschen „oh dieser Text könnte was für diesen Illustrator oder diese Illustratorin sein“. Ich habe schon mit 15 Illustratoren zusammengearbeitet denke ich, aber ganz speziell für dieses Buch, war ich in einem Projekt, wo ich Texte für junge, neue Illustratoren liefere. Und Anton van Hertbruggens Arbeit hatte ich gesehen, weil er noch in der Ausbildung war und da habe ich gedacht, vielleicht können wir ein Buch zusammen machen und habe ihn gefragt, ob er Lust darauf hat, und die hatte er, das Buch war seine Abschlussarbeit.
Anette: Und dann gleich so ein durchstartender Erfolg, da muss man ja doppelt Daumen drücken heute Abend (für die Verleihung des DJLP)!
Edward: Ja aber er hat schon einen Preis bekommen in Frankreich, in USA, in Belgien und in Holland. Manchmal geschieht das mit einem Buch, das etwas größer und größer wird und Wunderbares geschieht.
Anette: Du hast ja gerade gesagt, mit Illustratoren hast du schon mit vielen verschiedenen zusammengearbeitet, aber ich habe gesehen, für deine Übersetzungen ins Deutsche ist immer Rolf Erdorf zuständig. Habt ihr persönlichen Kontakt?
Edward: jajajaaajaaja. Nicht immer wegen den Übersetzungen, denn er ist so gut. Ich habe niemals ein Problem, wenn der Rolf was macht. Wir haben uns gerade getroffen und da hat er gesagt, du hast mich doch schon öfter korrigiert und da habe ich gezählt… es war glaube ich 2 mal in 15 Jahren, also fast nie. Rolf ist meine deutsche Zunge. Er macht alle meine Bücher, auch die Bilderbücher, Poesie und natürlich die Romane. Es ist wirklich fabelhaft für mich, und ein Geschenk, immer.
Anette: Gibt es einen Roman oder Bilderbuch, welches besonders erfolgreich außerhalb deines Heimatlandes ist?
Edward: Eigentlich zwei Bücher. Das neue Bilderbuch „Der Hund, den Nino nicht hatte“ und den Kinderroman „Ein Hund wie Sam“. „Ein Hund wie Sam“ ist ein Roman, eine Geschichte, kein Bilderbuch und das gibt es bereits in USA und Frankreich und Südafrika und Tschechien und weiteren Ländern.
Anette: Als die Niederlande und Flandern schon einmal Ehrengast auf der Frankfurter Buchmesse waren, warst du damals auch schon hier unterwegs?
Edward: Nein, ich glaube das war 93. Ich habe angefangen zu schreiben 1996, also bin ich das erste Mal hier.
Anette: Wie gefällt es dir, dass Frankfurt ein Land immer ganz besonders in den Focus der Messe setzt?
Edward: Für uns ist das sehr schön, weil wir mit über 70 Kollegen hier sind. Über 70, und wir waren alle in einem Zug, alle Schriftsteller aus Holland. Da haben wir gedacht, wenn etwas passiert mit diesem Zug, dann haben wir keine Bücher mehr. Ich habe ein Programm hier heute und morgen, jede halbe Stunde etwas, aber das ist ok, wir sind ein kleines bisschen wie Superstars für zwei Tage. Sonntag ist es wieder normal, ja es ist sehr schön.
Anette: Ja, und es ist eine sehr schöne, und wie ich gesehen habe,
zum Teil auch sehr fantasievolle Präsentation, die ihr hier ausstellt.
Vielen Dank für das informative Gespräch und ich drücke dir heute Abend
für die Verleihung des DJLP die Daumen!
zum Teil auch sehr fantasievolle Präsentation, die ihr hier ausstellt.
Vielen Dank für das informative Gespräch und ich drücke dir heute Abend
für die Verleihung des DJLP die Daumen!
Das Daumendrücken hat geholfen, Edward, Anton und Rolf haben mit „Der Hund, den Nino nicht hatte“ die Momo in der Kategorie Bilderbuch geholt!!!
Am Samstag fand auf der Kids Stage eine Podiumsdikussion in zwei Teilen statt.
Hier von links nach rechts im Bild: Ute Wegmann, Edward van der Vendel, Eva B.? und Sjoerd Kuyper.
Edward stellte seinen Titel „Krebsmeisterschaft für Anfänger“ vor, Sjoerd sein Buch „Erst wirst du verrückt und dann ein Schmetterling“.