Redakteur: Julia Ehrenberg, Anette Leister
Neben einigen Autoren des diesjährigen Ehrengastlandes, interviewten Julia und ich auch Antje Szillat und Jan Birck, die Macher von „Flätscher“, einem extrem coolen Stinktier!
Antje: Was zu dem Begriff Flätscher passt, es musste ein Stinktier sein, ich hatte das Setting vor Augen, Großstadtsetting, Hinterhof, schmuddelig, spannend, hinter jedem alten Ölfass lauert ein Abenteuer, so kam Flätscher.
Jan: Ich kann mir vorstellen, nur dadurch, dass ein Stinktier stinken kann, kann man sich schon tausend Geschichten ausdenken.
Antje: Das war nämlich auch noch ein ausschlaggebender Punkt dafür, das Tier ist ein Detektiv, das Tier braucht eine Waffe, im Kinderbuch wollte ich etwas das unblutig ist. Ein Stinktier kann sich super verteidigen, in dem es gegen dich anstinkt. Man kann ganz wunderbare Wortspiele damit machen.Stink mich nicht an. Heute schon gestunken.
Jan: Man muss dazu sagen, dass das Stinktier ein ganz besonderes Stinktier ist, weil es dauernd Ladehemmungen hat, deshalb braucht es Stinkkanonen. Julia: Die er aber nie dabei hat. Flätscher kann das Ding übrigens in die Tasche stecken, es kann klein werden.
Antje: Im zweiten Band sind noch ganz andere Sachen drin in diesen Taschen.
Julia: Diese comicartigen Elemente nutzt du ja nicht zum ersten Mal, hast du Rückmeldungen von der Zielgruppe, wie das ankommt?
Antje: Zwischen Ricky und Flätscher liegen Welten. Bei Ricky habe ich nur die Texte verkauft und der Verlag hat einen Illustrator gesucht. Bei Flätscher wollte ich das nicht, weil ich genaue Vorstellungen hatte. Ich habe mit genialen Illustratoren zusamengearbeitet, aber bei keinem hatte ich das Gefühl, das ist der richtige, der Flätscher versteht, was ich damit ausdrücken will. Er soll auch Erwachsene unterhalten, wir sind auch politisch, das merkt nur noch keiner. Deshalb habe ich diesen Text nie angeboten. Eines Tages habe ich dann bei Facebook einen jungen, unbekannten, total verzweifelten Illustrator getroffen, entdeckt, er zeichnete Ratten. Das ist sensationell, so sollte Flätscher sein! Aber das ist für den jungen Mann ja auch einen Glücksgriff, der stellt sich aus mit seinen Ratten und versucht, dass man auf ihn aufmerksam wird, und nun hat er den Jackpot geknackt, denn ich schreibe ihm! Dazu muss ich sagen, dass ich früher aus dem Journalismus für Jugendliteratur gekommen bin, ich kenne wahnsinnig viele Leute und auch die Wilden Fußballkerle hoch und runter, habe in dem Moment aber nicht begriffen, dass das Jan Birck ist und habe ihm eine sehr gönnerhafte Nachricht über Facebook geschrieben „Ich habe dich jetzt entdeckt, heute ist dein Glückstag.“ Dann dachte ich, googelst du mal, vielleicht hat er das eine oder andere schon gemacht, und dann – schreibe es genau so – ach du scheiße, wie peinlich ist das, JAN BIRCK! Ich schreibe ihm sofort eine Nachricht, dass ich ihn nicht mehr belästige, aber in dem Moment klingelte das Telefon und daran war eine tiefe, männliche Stimme „Hier ist Jan Birck“.
Jan: Ich hab vor Jahren ein Stinktier gezeichnet, hatte aber keinen Namen und keine Story dafür und sagte den Verlagen, sucht mir mal einen anständigen Autor dafür. Natürlich hatte niemand den richtigen Autor und das Stinktier verschwand in der Schublade, aber eines Tages klingelte auf Facebook eine Nachricht, von jemandem, der mich entdecken will… das stimmt natürlich nicht, ist aber ein passendes Gegenstück. Ich fand die Idee witzig, die Ratten in ein Stinktier zu morphen, unabhängig davon, dass ich dachte, die verarscht mich.
Antje: Mit den Skizzen war ganz cool, weil er wusste ja eigentlich noch nichts, und am nächsten Tag war Flätscher direkt so wie er sein sollte.
Jan: Ich musste die Ratten doch nur morphen: Streifen drüber, Mantel an, Mütze drauf.
Antje: Ich habe noch die ersten Skizzen, und es ist so irre, als hätte er mir in das Gehirn geguckt von München nach Hannover.
Ich hatte damals allerdings noch ein Mädchen, es war nicht Theo, sondern Flätscher war ein Mädchen an die Seite gestellt, weil ich natürlich auch immer überlege, was verkauft sich am besten, weibliche Protagonisten, weil Mädels mehr lesen, andererseits bin ich ja sehr etabliert als Jungenbuchautorin, ich habe ja weit mehr Bücher für Jungen geschrieben als für Mädchen. Und der Jan meinte dann gleich, er würde es viel cooler finden mit einem Jungen, und dann war mir klar, es wird Theo. Und dann war Theo geboren und der Vater und wir haben uns über das Gesamtkonzept immer wieder verständigt, dass Jan das Buch auf den ersten Blick nur illustriert hat, aber eigentlich ganz maßgeblich am Verlauf der Story beteiligt ist. Weil wir uns immer wieder ausgetauscht haben und er mir von den Bildern erzählt hat, die er im Kopf hat und dementsprechend habe ich den Text teilweise geschrieben oder angepasst.
Der zweite Band heißt „Krawall im Kanal“, da war es so, dass ich bei Jan in München war, er hat ein cooles Atelier und er hat mir ein irres Buch gezeigt, die amerikanische Ausgabe des Making of von „Ratatouille“, und da waren so ein paar Szenen drin, die wirklich im Untergrund spielten, im Kanal, die mich inspiriert haben, und dann dachte ich mir, darum stricke ich jetzt die ganze Story. Das hatte ich so ja auch noch nicht gehabt. Normalerweise ist es immer so, dass es nur meinen Text gibt und daran wird eigentlich nichts mehr gemacht, der Illustrator muss sich dann schon mehr oder weniger diesem Text anpassen, und ich kenne auch keinen bisher, der sich dann irgendwie eingebracht hat. Nun ist es so, ihr habt das ja sicher schon gesehen bei Flätscher, das sieht ja sowieso anders aus, da stehen zwei Namen oben. Das hat den Grund, weil wir komplett gleichberechtigte Partner sind. Es gibt hier nicht die Autorin und der hat das illustriert, sondern, wir sind ein komplettes Team.
Jan: Auch in der Umsetzung hat es sich so entwickelt, dass wir uns die Bälle zuspielen. Das es durchaus passieren kann, das mir Sachen einfallen, die Antje dann reinnimmt oder anpasst, damit wir die Textsprache und die Bildsprache wirklich miteinander verflechten können und dem Leser das Gefühl geben, dass er in einem Rhythmus hineinkommt, der jetzt nicht so aussieht, das er einerseits den Text liest und er hat die Deko am Tellerrand liegen, sondern er braucht die Illus, um den Text wahrnehmen und komplettieren zu können, und das macht Antje mittlerweile richtig Spaß, einfach mal richtig fiese Sachen wegzulassen und an den Rand hinzuschreiben: „Das ist jetzt dein Job, ich erzähl an einer anderen Stelle weiter und du füllst das. – Das macht sie eiskalt – . Das musst du jetzt erklären.
Antje: Es ist doch eine gleichberechtigte Partnerschaft.
Jan: Flätscher haut irgendwo ab und taucht irgendwoanders wieder auf, und wie er dort ankommt, das erzähle dann ich. Im ersten Band ist es noch nicht so aufgefallen, aber über die Reihe wird es auffallen: ich habe beispielsweise Löcher in den Seiten erfunden, Kanaldeckel, da kann er aus einer Seite verschwinden und in einer anderen Szene wieder auftauchen.
Antje: An einer Stelle haben wir es hier aber schon. Er hat mir geschrieben: „Mir ist eingefallen, das ich ja irgendwie Flätschers Fluchthilfe.“
Das hier ist jetzt das Cover vom zweiten, das finde ich sogar noch cooler als das erste, die ganze Story spielt ja jetzt auch unten im Kanal.
Jan: Er hat sich da ein Schlagzeug selbst gebaut aus Müll, deshalb heißt es „Krawall im Kanal“ und da geht die Jagd im Untergrund der Stadt los. Auch vom Illustrationsstil gibt das viel her.
Aber um die allgemeine Weisheit noch zu vollenden: ich als Zeichner und Illustrator habe den Anspruch, nicht nur aus Eitelkeit, sondern weil es für die Qualität von Kindern- und Jugendbüchern besser ist, das ein Illustrator gewillt ist, ohne den Text zu malträtieren, versuchen aus dem Schatten des Autors ein Stück weit herauszutreten und eine eigene Bildsprache hinzuzufügen, nicht nur die Sprache, die der Autor hineingepackt hat zu kopieren und als Zeichnung zu wiederholen „Wenn der Baum schreibt, dann mal ich halt einen Baum.“, sondern nicht eine andere Geschichte zu erzählen, sondern eher Würze zu geben als nur als Deko zu funktionieren. Das ist ein allgemeiner Anspruch den ich habe.
Es geht auch um die Bildsprache, die ein Buch brauchst. Es gibt Illustratoren, die machen ihren Stil, und werden dafür gebucht. Und es gibt noch eine andere Möglichkeit, und das ist mein Anspruch Ich schaue mir das Buch an, ich schaue mir die Geschichte an, ich schaue mir die Melodie der Geschichte in der Sprache an, und dann entwickele ich einen Illustrationsstil, der das unterstützt und kopiere nicht einfach meinen Illustrationsstil aus einem alten Projekt. Deswegen sieht Flätscher anderes aus als die Fußballkerle oder andere Bücher, die ich gemacht habe.
Illustratoren sollten sich durchaus als gleichberechtigte Künstler fühlen und auch so von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Was bei uns in Deutschland noch nicht so normal ist. Es geht natürlich nicht darum, den Inhalt in irgendeiner Weise so zu verbiegen, das er dann kaputt ist, das eine endlose Diskussion zwischen Verleger, Autor und Illustrator entsteht, das ist der falsche Ansatz. Es geht schon um das Miteinander. Die Illustration sollte selbstbewusst auftreten, um dem Buch einen eigenen, positiven Stempel aufzudrücken, um eine eigene Rolle zu spielen, eine eigene Bildsprache zu entwickeln.
Anette: Wir nennen in den Buchdaten der rezensierten Büchern auf dem Blog neben Autor immer auch den Illustrator und Übersetzer.
Jan: Das finde ich sehr, sehr wichtig und auch sehr gut, weil ich erlebe es immer wieder und finde es sehr ärgerlich, das bei Büchern auf Amazon, in Zeitungen, bei denen ich auch auf dem Titel draufstehe, da wird nur der Autor im Text genannt, obwohl der Illustrator mit auf dem Cover steht.
Im Anschluss diskutierten wir diese Sachlage an einem konkreten Beispiel.
Jan: Man muss ja auch mal die Abfolge betrachten, die zum Kauf führt. Wenn ein Kunde sich für ein Buch entscheidet, was sieht er als erstes? Was teasert ihn? Warum schaut er sich ein Buch an? Wegen dem Cover! Und das allererste, was er auf dem Cover wahrnimmt, ist meistens nicht der Titel, sondern das Bild, die Bildsprache, und dann rückt er erst etwas näher und dann liest er den Titel und das dritte ist dann der Klappentext. Die Illustration ist verflucht wichtig, damit sich das Buch auch gut verkauft.
Weitere kontroverse Diskussion über die Zusammenarbeit von Autoren, Illustratoren und Übersetzern anhand neuer Beispiele.
Jan: Zurück zur Ursprungsfrage: Comicromane! Wir hatten den Anspruch gehabt, den Comicroman, der durch Greg in Deutschland definiert wurde, neu zu definieren, also kein Greg 2 daraus zu machen, die so ähnlich aufgemacht sind und mit einer ähnlichen Bildsprache daherkommen. Wir definieren den Comicroman komplett neu. Deswegen die komplett andere Bildsprache, die ganz intensiv daherkommt, aufwendig gemacht ist, schon wieder in die Salonmalerei hineingeht, in die Backgroundmalerei des Trickfilms hineingeht. Man kann viel mehr machen als einfach Greg zu kopieren.
Antje: Man sieht es im Buch ja schon im Ablauf.
Jan: Im Vorspann (Vorsatzseiten, Seiten mit Buchinfos), benutze ich einen ganz anderen Stil als in der eigentlichen Geschichte, das ist eine filmische Idee. Zum Beispiel bei Pink Panther (Vorspann Trick, Film real), da kam uns die Idee. Ich komme ja auch aus dem Film und habe schon Trickfilme gemacht. Diese Systhematik ins Buch zu übertragen und damit den Comicroman neu zu definieren, nicht als Graphic Novel und nicht als Greg-Kopie, sondern als hundertprozentiges Jugendbuch. Nicht mit dem Seitenblick auf die erwachsenen Leser, die Graphic Novels mögen, und nicht mit dem Seitenblick auf Greg, weil der schon so erfolgreich ist, sondern wirklich neu definiert mit der Hoffnung, dass der Markt das annimmt. Momentan läuft es ja gut an.
Antje: Innerhalb von vier Wochen war die erste Auflage ausverkauft, beziehungsweise komplett ausgeliefert und musste nachgedruckt werden.
Julia: Gibt es schon eine Planung, wie viele Bände es werden?
Antje: Ich schreibe gerade den vierten. Ich habe drei fertig.
Jan: Vier haben wir jetzt unter Vertrag, es sollen mehr werden.
Antje: Und jetzt im Frühjahr kommen raus „Krawall im Kanal“ und zeitgleich das Freundebuch von Flätscher und im Herbst kommt der dritte Band und dann kommt wieder was dazu, ein Witzebuch oder ein bisschen Merchandising.
Auf der Buchmesse gab es extrem coole Kühlschrankmagneten von Flätscher.
Jan: Wir sind auch im Gespräch mit Filmemachern, da es ja filmisch angelegt ist, und wir überlegen jetzt schon, ob man da auch eine filmische Umsetzung machen kann.
Antje: Wir gehen davon aus und haben gestern mit unserem Verlag dtv gesprochen, dort sind auch alle happy über den bisherigen Erfolg, wir gehen schon von einer recht langen Reihe aus, wir träumen vom Film…
Jan: … und wir träumen von vielen Lizenzen ins Ausland, dass die dort sehen, wow, die Deutschen können es ja auch.
Antje: dtv hat das auch noch nie so gehabt, dass ein Jugendbuch derartig durchstartet, wir sind derzeit auf Platz 2 und haben viele andere Titel hinter uns gelassen.
Jan: Eltern und Großeltern sind froh über Reihen, wenn man seinen Nachwuchs zum Lesen bringt, damit man Nachschub liefern kann.
Antje: Der zweite Band hat mehr Text, es sei denn Jan streicht etwas raus, damit er es als Bild um setzen kann.
Jan: Die Illustration ist allerdings ein Kosten- und Zeitfaktor. Das Buch ist aufwendig gedruckt und ist ein Zeitfaktor auf meinem Schreibtisch.
Im Anschluss machte Julia mit den beiden beziehungsweise dreien noch ein lustiges Fotoshooting.
Hallo und guten Tag,
hey, was für ein interessanter Bericht…wirklich mal ein Blick hinter die Kulissen des Bücherschreibens
Danke dafür ..LG..Karin…
Ja ich fand es auch total spannend. Zumal es das erste Interview mit einem Illustrator war, dass ich geführt habe. Nach Autoren und Übersetzern sehr interessant, auch mal die Sicht von einem Illustrator zu erfahren. Wir hätten noch Stunden weiterreden können :)
LG Julia