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[REZENSION] Kuschnarowa, Anna – Junkgirl

Anna Kuschnarowa
Junkgirl
Verlag: Beltz
222 Seiten, Klappenbroschur
ISBN-10: 3407742592
ISBN-13: 978-3407742599
empfohlenes Lesealter: 14-16 Jahre

Inhalt:
Alissa ist ein Mädchen aus einem behüteten Elternhaus. Obwohl sie vier Geschwister hat, wächst sie eigentlich alleine auf, ihre Brüder und Schwestern sind alle aus dem Gröbsten raus, als das natürlich verhütete Nesthäkchen Alissa auf die Welt kommt.
Brüder und Schwestern werden Alissa ständig als Vorbilder unter die Nase gerieben, die Mutter sorgt dafür, dass Alissa anständig angezogen ist und nach dem Einsetzen der ihrer Periode die ersten Büstenhalter bekommt, Jungs als beste Freunde sind nicht gerne gesehen und richtige Süßigkeiten gibt es nur zu besonderen Anlässen – heile Welt?!
Als Alissa die wilde Tara kennenlernt, bricht sie aus ihrer Käseglocke aus und rebelliert. Zunächst ist das Leben mit Tara die großartigste Zeit in Alissas Leben, aber als sie die drogenabhängige Tara dazu überredet, sie auch an diesem Teil ihres Lebens teilhaben zu lassen, wird die Zeit mit Tara auch bald zur beschissesten in ihrem Leben. Sie bricht den Kontakt zu ihrem früheren Ich ab, aus der unscheinbaren Alissa wird Alice, die immer tiefer im Drogensumpf versinkt.

Eigene Meinung:
Durch den Schauplatz Berlin und das Abhängigkeitssyndrom, an dem Alissa nach ihrem Absturz leidet, erinnert “Junkgirl” an den Klassiker “Wir Kinder vom Bahnhof Zoo”. Einerseits dachte ich nach Beenden der Lektüre, dass ich mir mit Kenntnis des Romans von Christiane F. die Geschichte von Tara und Alissa hätte sparen können, andererseits ist das Thema natürlich immer noch so aktuell wie vor 30 Jahren und Jugendliche greifen sicherlich lieber zu einem aktuellen Roman als zu einem “alten Schinken”.
Obwohl mich das Cover in der Buchhandlung nicht angesprochen hätte, muss ich zugeben, dass es perfekt zum Inhalt passt. Die ineinanderverlaufenen Farben suggerieren den Rausch und geben andererseits ein Bild davon, wie planlos Alissas Leben verläuft, nachdem sie suchtkrank geworden ist. Sie geht keinem geregelten Tagesablauf nach, sie lebt nur noch von der Hand in den Mund beziehungsweise bis zum nächsten Schuss.
Im Falle von Alissa hat die Suchterkrankung zu beinahe so etwas wie einer Persönlichkeitsspaltung geführt. Neben Alissa existiert die schillernde, wilde Alice im Drogen-Wonderland, die in Tara verliebt ist und die im Drogenrausch Höhenflüge erlebt. Anna Kuschnarowa hat diese zwiegespaltene Persönlichkeit sehr gut herausgearbeitet, in dem jedem Kapitel ein Zwiegespräch vorangestellt wird, in dem sich Alissa und Alice bekämpfen. In der Jetztzeit sitzt Alissa in einem Internat in Brandenburg und ist clean, sie ist wieder Alissa, wenigstens ein bisschen, aber der Rest ist immer noch Alice. Die beiden reflektieren Alissas Leben und Alices Leben bis zu diesem Punkt und entlassen den Leser am Ende in eine ungewisse Zukunft, an deren Scheideweg Alissa steht oder vielleicht doch Alice? Es gibt sicherlich Leser, denen das eher offen gehaltene Ende missfallen wird, aber gerade das Ende hat sehr stark bei mir gepunktet, da ich denke, dass ein Leben mit Drogensucht und anschließendem Entzug selten bis gar nicht mit Ende und PUNKT endet. Allerdings habe ich einen anderen Kritikpunkt an Alissas Geschichte. Mir persönlich kam ihr Umfeld zu kurz. Sie ist zu schnell aus ihrem alten Leben herausgetreten und im Anschluss gab es nicht mehr als ein oder zwei kleine Berührungspunkte in ihrem neuen Leben und ihrer Familie, bevor die spätere Entwicklung in der Geschichte dazu führt, dass alle wieder aufeinandertreffen. Selbst wenn Alissa ein Unfall einer natürlichen Verhütung war und eigentlich nicht geplant, so kann ich mir nicht vorstellen, dass sie ihren Eltern so gleichgültig sein soll, dass diese nach ihrem Verschwinden nicht intensiver nach ihr gesucht haben. Der Roman wäre für mich authentischer und vor allen Dingen nahegehender gewesen, wenn ich mehr vom Kummer und den Sorgen Außenstehender erfahren hätte. Tara und Alissa sind in ihrem Drogenrausch sehr egoistisch und denken nur an sich selbst, mir haben Charaktere gefehlt, die Sympathie oder Mitleid beim Leser erwecken, so dass man noch tiefer in die Geschichte eingetaucht wäre. Im Ansatz vermitteln tiefer gehende Gefühle nur Taras Oma und Taras Kumpel Leander. Tara und Alissa selbst bleiben zu fremd und unnahbar als das mich ihre Geschichte völlig hätte berühren können.

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