Redakteur: Christiane Demuth
Autor: Mark Billingham
Übersetzer: Isabella Bruckmaier
Verlag: Atrium
Reihe: -/-
Ausführung: Hardcover, 416 Seiten
Mark Billingham, 1961 in Birmingham geboren, ist einer der international erfolgreichsten britischen Krimiautoren, seine Bücher erscheinen in über zwanzig Sprachen. Einem großen deutschen Publikum wurde er erstmals mit seinem Thriller „Die Lügen der Anderen“ bekannt, der 2014 bei Atrium erschien und zum Bestseller wurde. Billingham lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern im Norden Londons und in Florida.
DIE SCHERBEN DER WAHRHEIT
Paul Hopwood ist regelrecht zur falschen Zeit am falschen Ort als ein Auto in die Bushaltestelle rast, an der er gerade steht. Für ihn kommt jede Hilfe zu spät, Familie, Freunde und Kollegen sind geschockt. Helen, Pauls hochschwangere Freundin, will verstehen wie es zu dem Unglück kommen konnte und begibt sich auf Spurensuche. Dabei befördert sie Erkenntnisse zutage, die nicht nur den Unfall in einem anderen Licht erscheinen lassen…
„Die Sache ist, die wir treffen die Leute erst, wenn sie tot sind, wenn die armen Teufel erschossen oder erstochen oder sonst was wurden. Wir wissen nicht mal genau, wie sie ausgesehen haben. Wissen nicht, wie sie geschaut, sich bewegt, geredet haben, wie sie gewesen sind. Manchmal finden wir dann eine Menge Scheiße über sie heraus, weil wir jeden Stein umdrehen. Wir erfahren, wie sie wirklich waren, auch wenn wir gar nicht danach suchen. Und die Leute, mit denen sie zusammen waren, erfahren das manchmal auch erst dann.“ (S. 150)
Ein schrecklicher Unfall, der von Jetzt auf Gleich alles verändert, das wünscht man niemandem. Gleichzeitig glaubt man sofort, ähnlich wie Helen, dass hier etwas nicht so ist wie es scheint, obwohl man als Leser dem Ereignis beigewohnt hat. Es lässt sich weder greifen noch recht definieren, es ist mehr ein Gefühl, dass hier noch einige Erklärungen ausstehen.
Diese allerdings lassen geraume Zeit auf sich warten. Natürlich möchte man nicht alles auf dem Silbertablett serviert haben, doch nach gelungenem Einstieg wirkt das weitere Geschehen zunächst ziemlich zäh. Dadurch droht der Lesefluss immer wieder zu stocken, häufig hat man das Gefühl, dass handlungstechnisch überhaupt nichts mehr geboten wird. Obwohl das Potential durchaus vorhanden und spürbar ist, wird es nicht ausgenutzt, um der Geschichte den nötigen Pep zu geben, um den Leser richtiggehend zu fesseln.
Erst im letzten Drittel steigt der Spannungspegel urplötzlich an, das Tempo wird gehörig angezogen und endlich passiert etwas. Wer tatsächlich bis zu diesem Punkt durchgedrungen ist und durchgehalten hat, wird schlussendlich belohnt werden, dennoch bleibt ein fader Beigeschmack erhalten. Es kommt zu überraschenden Ausführungen, mit denen man wahrlich nicht gerechnet hätte. Und auch wenn nicht alles hundertprozentig unvorhersehbar ist begibt der Leser sich dennoch gerne auf den letzten Metern noch in die Höhle des Löwen, um die ein oder andere Ungereimtheit aus dem Weg zu räumen.
In „Die Scherben der Wahrheit“ versteckt sich eine komplexe Geschichte, bei der man manchmal das Gefühl hat, dass sie gar nicht erzählt werden will, obwohl sie andererseits an die Oberfläche drängt. Es entsteht ein Konflikt, durch den das Geschehen einige Zeit langwierig und zäh wirkt. Glücklicherweise kann der Abschluss dann aber doch noch punkten.