Redakteur: Anette Leister
Autor: Ella Blix
Verlag: Arena
Reihe: -/-
empfohlenes Lesealter: ab 12 Jahren
Ausführung: Hardcover, 472 Seiten
Ella Blix ist das offene Pseudonym von Antje Wagner und Tania Witte.
Antje Wagner lebt in Hildesheim und Potsdam. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung nahm sie 2012 in den Kanon der 20 besten deutschsprachigen Autoren unter 40 Jahre auf. Mit ihren Jugendbüchern UNLAND, SCHATTENGESICHT, VAKUUM hat sie sich bereits einen Namen gemacht und steht für außergewöhnliche Mysteryromane. Antje Wagner ist gerne und viel auf Lesungen unterwegs und erhielt bereits mehrfach Stipendien.
Tania Witte lebt in Berlin und Den Haag (NL). Für ihr Schreiben erhielt sie diverse internationale Stipendien und unter anderem zuletzt den Martha-Saalfeld-Förderpreis (2017). Ihre Kolumne im ZEITmagazin wurde 2016 mit dem Felix-Rexhausen-Sonderpreis ausgezeichnet. Außerdem ist Witte Teil diverser interdisziplinärer Kunstkooperationen und leidenschaftliche Spoken-Word-Performerin.
Infos zu Ella Blix, zu Terminen und Veranstaltungen finden Sie auf
www.ellablix.com
Infos zu den Autorinnen finden Sie auf
www.wagnerantje.de | www.taniawitte.de
DER SCHEIN
“Der Schein” ist der erste gemeinsame Roman von Antje Wagner und Tania Witte unter dem offenen Pseudonym Ella Blix. Die beiden hatten aber bereits im Vorfeld miteinander zu tun: Antje zeichnete sich für die Anthologie “Unicorns don’t swim’ sowohl als Beitragende als auch als Herausgeberin verantwortlich und Tania war ebenfalls mit einer Kurzgeschichte in dieser Sammlung vertreten. Dies ist insofern einer Erwähnung wert, da Antje derart von Tanias Beitrag in dieser Anthologie begeistert war, dass dadurch die Idee und der Wunsch gemeinsam einen Roman zu schreiben entstanden ist. Von der Kurzgeschichte sind der Name der Protagonistin und eine – aber nicht die gleiche – überraschende Auflösung geblieben, aber erstmal zum Anfang…
Alina muss während eines längeren beruflichen Aufenthalts ihres Vaters ein Internat auf der abgelegenen Ostseeinsel Griffiun besuchen. Dieser Besuch heißt für sie monatelange Trennung von ihrer besten Freundin und von ihrem Freund. Auch der Zugriff auf Kommunikationsmittel wie Email, Skype und WhatsApp ist auf der dünnbesiedelten Ostseeinsel nur eingeschränkt möglich und erschwert den Kontakt zu Freunden und Familie zu halten.
Obwohl sie zu Beginn sehr ablehnend gegen die Insel, das Internat und dessen Bewohner ist, und ihr Verhalten sowie ihre Gedanken vor Vorurteilen nur so strotzen, findet sie doch schnell Anschluss an eine Gruppe Schüler, die aus unterschiedlichen Gründen genau wie sie an den Wochenenden im Internat verweilen muss. Durch den bunt gemischten Haufen lernt Alina ihre Vorurteile zu überdenken. Ella Blix aka Antje Wagner und Tania Witte spielen hier mit Klischees. So assoziiert Alina beispielsweise die Namen ihrer Mitschüler mit Stereotypen was Aussehen oder Gesellschaftsschichten angeht – und fällt damit ziemlich auf die Nase… Ebenso wird das Thema Gender groß aufgezogen, was wenig verwundert, da Antje und Tania aus der queeren Szene kommen und bereits andere Titel veröffentlicht haben, in denen diese Thematik eine mehr oder weniger große Rolle einnimmt.
Auf sprachlich hohem Niveau wird dennoch eine astreine Jugendsprache gepflegt, die sich zum Teil gewaschen hat! Dieses Stilmittel passt aber zum restlichen Spiel mit Klischees und man sollte sich dadurch auf keinen Fall abschrecken lassen.
Vordergründig hat der Leser es mit “Der Schein” also mit einer Freundschaftsgeschichte zu tun, die mit Vorurteilen spielt und diese nach und nach widerlegt. Das Buch hieße aber nicht “Der Schein”, wenn sich hinter der Geschichte von Alina nicht weit mehr verbergen würde. Durch zahlreiche Rückblenden in Alinas Kindheit erfährt der Leser vom Verlust ihrer Mutter. Versponnen mit Sagen um ein dunkles Schiff, welche auf Griffiun herumgeistern, webt das Autorinnenduo so ein düsteres und geheimnisvolles Netz, welches den Leser gemeinsam mit den Figuren der Geschichte rätseln lässt, jedoch bekommt er genau wie diese kaum eine Chance die Zusammenhänge vor dem Ende zu lüften.
Im Gegensatz zu Antje Wagners Alleingängen im Bereich Jugendbuch “Unland” und “Vakuum”, deren Auflösungen im psychologischen Bereich anzusiedeln sind, hält das Ende von “Der Schein” zwar auch psychologische Facetten parat, es driftet aber zudem deutlich in das Genre Science Fiction, so dass man dieser Gattung nicht gänzlich abgeneigt sein sollte, um sich durch die Auflösung nicht vor den Kopf gestoßen zu fühlen.
Mein persönlicher Favorit nach mehreren Titeln von Antje Wagner ist zwar immer noch “Unland”, dennoch bin ich jedes Mal aufs Neue begeistert davon, welchen Ideenreichtum sie birgt und wie sie sich mit jedem Projekt neu definiert. Auch von Tania Witte habe ich im Vorfeld mehrere Sachen gelesen, im Bereich Jugendbuch gibt sie mit “Der Schein” jedoch ihr Debüt.
Die beiden Autorinnen schreiben gemeinsam so homogen, dass man unmöglich eine Stimme herauslesen kann, und das sage ich, obwohl mir beider Schreibstil mittlerweile recht vertraut ist. Müsste ich mich äußern, ob ich nun mehr Antje oder mehr Tania aus dem Buch gelesen habe, dann würde ich rein thematisch zu Antje tendieren, weil “Der Schein” mehr Ähnlichkeit zu ihren Jugendromanen hat als zu den Stoffen, die ich bislang von Tania kenne.
Wer jetzt denkt, dass er mit meiner Rezension recht wenig vom Inhalt erfahren hat… Stimmt ;) Bei Antjes Büchern habe ich es schon immer so gehalten um den heißen Brei herumzureden, da ihre Bücher ganz stark von den Überraschungsmomenten und unvorhersehbaren Entwicklungen leben. Auch wenn mir die Auflösung von “Der Schein” zwar nicht ganz so zusagt wie beispielsweise das Ende von “Unland”, so haben sich mit Antje und Tania zwei starke Stimmen gefunden, die sich durch ihre Sprache, den Hang zu mysteriösen Entwicklungen und ihrem Sinn für Humor wunderbar ergänzen, so dass ich schon sehr gespannt auf ein weiteres Werk aus der Feder von “Ella Blix” bin!
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