Interview

[INTERVIEW] Sebastian Meschenmoser

Redakteur: Anette Leister

Vor dem Interview unterhielten wir uns kurz über den Deutschen Jugendliteraturpreis, für den Sebastian Meschenmoser nach 2007 (Herr Eichhorn und der Mond) und 2015 (Gordon und Tapir) zum dritten Mal nominiert war.
Es ist natürlich schade, dass er nicht gewonnen hat, aber er hat noch genug Ideen für weitere Bilderbücher und möglicherweise weitere Nominierungen, außerdem schätzt er die Arbeit des diesjährigen Gewinners Øyvind Torseter.

 

© Thienemann

 

 

Du hast fast alle deine Bücher alleine – sprich als Illustrator und Autor – veröffentlicht. Liegt dir das mehr als die Zusammenarbeit mit einem anderen Autor?

Bei Thienemann-Esslinger ist das tatsächlich so, bei Nord Süd habe ich aber „Der Wind in den Weiden“ von Kenneth Grahame illustriert. Ich habe auch mit Ingo Schulze mal ein Buch für Erwachsene gemacht (Anmerkung der Redaktion: Henkerslos: Ein Märchenbrevier, Hanser Berlin 2013) und noch eins für einen kleinen schweizer Verlag, den hier keiner kennt, aber ansonsten arbeite ich sehr gerne alleine, so dass ich mir die Geschichte ausdenken kann. Es ist ja oft so, dass Bild und Text sehr eng zusammenarbeiten und manchmal das Bild etwas erzählt, dass der Text nicht erzählen kann. Und dann habe ich natürlich die Chance, wenn ich die Geschichte selber schreibe, dass ich sage, ich lasse die Textzeile einfach raus. Wenn ich einen Autor oder Co-Autor hätte, dann müsste ich ihn zuerst davon überzeugen, von daher finde ich es sehr angenehm alleine zu arbeiten.

Gibt es Autoren, von denen du gerne ein Buch illustrieren würdest?

Es gibt viele Autoren, die ich toll finde, ich weiß nicht, ob das alles illustrierbar ist. Ganz speziell fällt mir jetzt aber keiner ein.

Kommen die Verlage mit Themenwünschen auf dich zu oder ist es oft so, dass du deine Ideen schon komplett anbietest?

In der Regel ist es so, dass ich die Ideen habe und traditionellerweise mache ich das Buch fertig und zeige es dem Verlag. Dann sagen die „ja, okay“ oder auch „nicht okay“ und ich ändere noch etwas dran, aber im Prinzip habe ich mir angewöhnt die Bücher komplett fertig zu präsentieren, ich weiß nicht, ob der Verlag sich die Idee sonst so genau vorstellen kann, wenn es nur Bilder oder bestimmte Situationen sind, die die Geschichte tragen. Ich bekomme da weitesgehend freie Hand gelassen vom Verlag.

 

© Natalie

 

Deine Wolfs-Trilogie ist köstlich! Allerdings finde ich der Humor spricht eher Erwachsene als Kinder an.

Die Kinder, die ich mit dem ersten Band der Trilogie „Rotkäppchen hat keine Lust“ erlebt habe, hatten Spaß daran, weil sie das klassische Märchen kannten. Die Adaptionen arbeiten damit, dass die Erwartung für einen bestimmten Verlauf der Geschichte da ist und diese dann brechen. Hier geschieht das durch die völlig unmöglichen Geschenke, die sich Rotkäppchen für seine Großmutter ausdenkt und das finden Kinder schon sehr lustig. Und sie entwickeln Empathie mit dem Wolf.
Beim zweiten Buch „Die verflixten sieben Geißlein“ war es mir wichtig, dass es zusätzlich ein Wimmelbuch ist. Ich habe in den Bildern viel versteckt. Das können sich Kinder auch separat von der Geschichte angucken und neben den sieben Geißlein noch sieben Mäuse und sieben andere Dinge suchen.
Die ersten beiden Teile der Trilogie sind jeweils Märchenparodien. Es geht in Märchen ja häufig um Rollenbilder, der böse Wolf, das gute Mädchen, und der aktive Wolf, das passive Mädchen. Ich wollte die Rollenbilder mal umdrehen und die Charaktere vertauschen. Rotkäppchen ist knurrig und schlecht gelaunt, vielleicht auch ein bisschen bösartig. Der Wolf ist eher gutmütig. Im letzten Teil „Vom Wolf, der auszog, das Fürchten zu lehren“ geht es dann ganz stark um Erwartungen und Rollenmuster. Erstmal hat man, wenn man Teil eins und Teil zwei kennt die Erwartung, dass wieder eine Märchenprodie kommt, kommt aber nicht. Der Wolfsvater hat drei Söhne, das ist ein ganz klassisches Motiv, und er erwartet natürlich etwas von seinen Söhnen. Das kennt man ja aus dem wahren Leben, aber auch aus Märchen. Einer muss ausziehen, um die Welt zu ändern, und zwar mit genau den Dingen, die man von einem Wolf, von einem Helden, erwartet. Ich finde es schön, dass er auf das Rotkäppchen trifft, das auch mit Erwartungen bricht, es benimmt sich überhaupt nicht wie ein Mädchen.

Einwurf: Doch! (alle lachen)

Wie das klassische Märchen- oder Bilderbuchmädchen, sage ich mal. Es sorgt für Anstoß und der Wolf dreht das einfach um. Es ist ein Märchen über Märchen, eine Geschichte über Erwartungen.

War die Geschichte von Anfang an als Trilogie angedacht?

Ich hatte das direkt als Märchen-Trilogie im Kopf gehabt. Das Rotkäppchen, die sieben Geißlein und das Märchen am Ende, wo alles zusammenfindet, am Ende tauchen hier ja alle wieder auf, trotzdem kann man die Bücher unabhängig voneinander lesen.

Was ist oder war dein Lieblingsmärchen?

Das ist schwierig… Die meisten Märchen sind ja unglaublich brutal, wobei die ja meist schon entschärft sind. Ich bin damals aufgewachsen mit Jim Hensons besten Geschichten im Fernsehen. Das sind wunderschöne, neuinterpretierte Märchen. „Hans, mein Igel“ ist in meinen Augen das schönste davon. Das Originalmärchen von den Gebrüdern Grimm ist unheimlich brutal und grausam, aber Jim Henson hat es sehr schön umgeschrieben. Ich mag das gerne, wenn man sagt, man hat Material für einen Grundstock und macht daraus was anderes. Die Jim Henson Adaptionen haben die ursprünglichen Märchen sogar verbessert.

Bei den Originalen würden sich wohl auch noch viele Erwachsene gruseln.

Im Original sticht der Igel diverse Prinzessinnen tot, weil er unzufrieden ist, teilweise sind Märchen sehr irrational.

 

© Julia/tealiciousbooks

 

Hast du Vorbilder unter Illustratoren?

Als Kind mochte ich Janosch sehr gerne, damit bin ich aufgewachsen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie es war die Bilder von ihm anzuschauen. Sie waren immer ein bisschen unaufgeräumt, ein bisschen unordentlich, man konnte hier und da etwas entdecken, alle Figuren sahen so aus, als wären sie gerade aufgestanden und das hat mir irgendwie sehr gut gefallen, vor allem weil es auch so etwas gemütliches hat.
Ich versuche auch in meine Bilder Atmosphäre hineinzubringen. Das Bilderbuchsegment ist so etwas, wo man experimentieren kann in der Art, wie man erzählt, oder auch wie man etwas darstellt. Ich kann in der Erzählstruktur immer etwas neues reinbringen, in der einen Geschichte sind Naturbilder drin, in der anderen Möbel, das macht mir Spaß, das ist eine Herausforderung.

Welchen Tipp würdest du deinem jüngeren Ich geben, um im Beruf durchzustarten?

Ich würde es wohl wieder genauso machen. Ich gebe den Leuten immer die gleichen Tipps, wenn einer ein Buch machen will:
Geh auf die Messe, schau dir die Verlage an, schau dir an, welcher Verlag zu dir passt, sprech mit den Lektoren.
Es ist wichtig, dass das Projekt, an dem man arbeitet, einem selbst sehr gut gefällt und man davon überzeugt ist. Denn wenn man es selbst gut findet, dann ist es eine ehrliche Meinung, die man dazu hat. Wenn man ein Buch machen will, das allen gefallen soll, dann zerfasert man seinen Stil und seine Ideen irgendwie, das wird nie gelingen. Man kann kein Buch machen, das allen Menschen gefällt. Wenn es mir gefällt, dann ist das schon Mal eine Meinung, die zählt.
Mein erstes Projekt habe ich in den Semesterferien umgesetzt. Ich habe freie bildende Kunst studiert, wollte aber eigentlich immer Ilustrationen machen. Ich habe das Projekt durchgezeichnet, bin damit auf die Messe gegangen und habe es wirklich jedem Verlag gezeigt, den ich vor die Flinte bekommen habe und dann hat es ja tatsächlich geklappt bei ursprünglich Esslinger, jetzt Thienemann-Esslinger. Das war ein Riesenglück. Ich bin sehr froh, dass sich der Verlag getraut hat das Projekt aufzunehmen.
Also: machen, probieren, zu deiner Arbeit stehen und scheue dich nicht notfalls nochmal Zeichnungen neu zu zeichnen.

Wie wichtig sind dir deine Nominierungen für den DJLP?

Es bedeutet mir sehr viel, weil es eine riesige Auszeichnung ist. Allein die Nominierungen schon! Und ich freue mich, dass auch Bücher, die ein bisschen ungemütlich sind, wie „Herr Eichhorn und der Mond“ mit den Gefängnisszenen darin, die immer wieder eingeblendet werden, oder „Gordon und Tapir“, was ja quasi eine Trennungsgeschichte ist, trotz des schwierigen Inhalts eine Aufwertung bekommen und dies honoriert wird.
Auch bei den anderen Titeln, die dieses Jahr unter den Bilderbüchern nominiert waren: „Wazn Teez?“ ist ein wunderbares Experiment mit Sprache, das man so etwas mal in die Öffentlichkeit rückt und sagt, guckt euch das mal an, das ist etwas ganz besonderes. So etwas finde ich sehr wichtig.

Was ist dein Lieblingstitel unter deinen bisherigen Veröffentlichungen?

Unter meinen Werken ändert sich das ständig. Ich bin ein großer Freund von dem Mopsmann, weil ich selbst ein bisschen der Mopsmann bin, aber auch nicht immer. Ich mag aber auch den Herr Eichhorn gerne, und überlege einen sechsten Eichhorn-Teil herauszubringen, da habe ich noch ein paar Ideen. Das Buch, an dem ich aktuell arbeite, ist oft mein Lieblingsbuch, aber ich gucke mir auch immer wieder gerne die alten noch einmal an.

Wie kommt man darauf einen Tapir als Figur für ein Buch zu nehmen?

Das kommt von einem Lied von Funny van Dannen. Da singt er darüber, dass er sich ein Poster von einem Okapi gewünscht und stattdessen eins von einem Schabrakentapir bekommen hat. Irgendwie fand ich diese absurde Idee schön. Ich habe mich dann mit dem Schabrakentapir auseinandergesetzt und mochte die Figur von dem Pinguin dazu, weil er auch schwarzweiß ist, genau wie der Schabrakentapir und die Figuren sich auf den ersten Blick so ähnlich sind, weil sie die gleichen farblichen Komponenten haben, im Wesen sind sie aber völlig verschieden. Da fand ich es eine schöne Idee die beiden zusammen wohnen zu lassen.

Wie lange brauchst du durchschnittlich für ein Buch?

Etwa 2-3 Monate.

 

 

Wie sammelst du deine Ideen? Hast du immer Skizzenbücher und Stifte bei dir?

Die meisten Ideen habe ich im Kopf und schreibe sie dann auf, um sie aus dem Kopf herauszubekommen. Manche lasse ich aber auch drin und irgendwann fürgen sie sich mit anderen Ideen zu einer Geschichte zusammen. Ich bin aber nicht permanent am Zeichnen und Skizzen machen. Ich bin ja eigentlich Maler und arbeite mit Galerien zusammen, die dort Ölbilder verkaufen und einmal im Jahr mache ich ein Buch, manchmal auch zweimal im Jahr. Ich mag beide Komponenten. Das eine ist eine komplett freie Arbeit, das andere eine Arbeit an einem Projekt, das ist ein schöner Ausgleich.

Was hältst du von Instagram als Plattform für deine Kunst?

Ich weiß nicht, ob Instagram funktioniert, um sich darüber einen Namen zu machen. Ich habe es zum Beispiel während der Kunstmesse in Berlin als Werbewerkzeug verwendet. Aber man sollte immer aufpassen, welche Bilder man dort hochläd, wegen des Datenschutzes und auch, weil alles, was einmal im Internet ist, immer dort zu finden sein wird.

Bekommst du Rückmeldungen zu deinen Büchern und werden sie auch von Erwachsenen gelesen?

Viele Erwachsene sind mir dankbar dafür, dass sie auch für Erwachsene geeignet sind, da sie ja viel vorgelesen werden. Es gibt auch erwachsene Bilderbuchsammler, aber viele Kinder, die daran Spaß haben.

Stößt du auch auf negative Rückmeldungen?

Das gibt es immer. Es gibt auch Leute, die sagen, aber Eichhörnchen halten im Winter keinen Winterschlaf, sondern nur Winterruhe, das ist verkehrt! Aber das ist ein Bilderbuch, dann kann ich mir auch keine Micky Maus angucken. Mäuse tragen normalerweise keine Hosen und sind nicht mit Enten befreundet. Es ist eine Kindergeschichte, ich habe ein Setting, man muss sich darin einfinden und sich etwas erzählen lassen. Man muss sich auch mal auf Sachen einlassen, die es in der realen Welt nicht gibt.

 

© Julia/tealiciousbooks

 

Vielen Dank für das nette Gespräch!

 

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