Interview

[INTERVIEW] Tobias Krejtschi

Anlässlich „25 Jahre Kindermann Verlag“ und dem 200. Geburtstag von Theodor Fontane in diesem Jahr, musste ich die Gelegenheit ergreifen und Tobias Krejtschi um ein Interview bitten.

Die ersten Fragen beschäftigen sich mit seinen beiden Titeln bei Kindermann – Theodor Fontanes „John Maynard“ und Otto Ernsts „Nis Randers“ – zumal es tatsächlich diese beiden Titel waren, über die ich auf Krejtschis Arbeiten aufmerksam wurde, danach folgen allgemeine Fragen zu seiner Arbeit und Titeln, die bei anderen Verlagen erschienen sind.

Wer nach dem Interview neugierig auf weitere Bücher von Tobias Krejtschi oder seine freien Arbeiten geworden ist, sollte sich auf seinen Online-Präsenzen umsehen:

© Tobias Krejtschi

Lieber Tobias,
vielen Dank, dass du dich meinen Fragen stellst.

Nach welchen Kriterien wählt der Verlag die Illustratoren für die Klassiker aus?

Ich kann nicht sagen wie das im allgemeinen läuft, aber bei mir war es ein glücklicher Zufall, durch den ich an das erste Buchprojekt in der Reihe „Poesie für Kinder“ gekommen bin. 
Gegen Ende meines Design-Studiums an der HAW Hamburg gab es einen hochschulinternen Wettbewerb. Wir hatten ein Praxisseminar im Illustrations-Kurs und der Kindermann Verlag hatte sich angeboten mit den Studenten zusammen zu arbeiten. Professor Bernd Mölck-Tassel hat die Kooperation mit Barbara Kindermann ins Leben gerufen und den Studierenden wurde die Aufgabe gestellt, zur Ballade „John Maynard“ von Theodor Fontane zwei Doppelseiten und einen Coverentwurf anzufertigen. Falls dem Verlag eine der eingereichten Arbeiten besonders gut gefallen sollte, stellte man eine Veröffentlichung mit Verlagsvertrag in Aussicht. Am Ende des Semesters gab es eine kleine Jurysitzung. Es haben knapp 30 Studenten teilgenommen und ich hatte das große Glück, dass meine Arbeiten als die besten ausgewählt wurden. So ist das Buch entstanden und darüber bin ich zu Kindermann gekommen. 

Kanntest du die Balladen „John Maynard“ und „Nis Randers“ bereits im Vorfeld?

Den „John Maynard“ kannte ich aus dem Deutschunterricht, als das Thema Ballade auf dem Lehrplan stand.
„Nis Randers“ war mir auch bekannt, vor allem durch den markanten finalen Satz „Sagt Mutter, ´s ist Uwe!“. 
Das Gedicht von Otto Ernst war mir aber nicht mehr so präsent wie der Text von Fontane.

Von deinen beiden Büchern bei Kindermann abgesehen, gibt es Titel im Programm, die du besonders empfehlen würdest?

Ich kenne den Großteil der Titel aus dem Programm des Kindermann Verlags und finde sie alle wunderbar umgesetzt, gerade weil es eine so große Vielfalt an hochkarätigen Illustratoren ist, die sie gestaltet haben. Quasi ein „Who is who“ der deutschen Illustratoren-Szene. Klaus Ensikat fällt mir da spontan ein, der sehr viele Titel dort gemacht hat, die alle ganz fabelhaft gelungen sind. Sabine Wilharm, Isabel Pin, Sybille Hein, Aljoscha Blau, Julia Nüsch, deren Buch „Der Panther“ ganz aktuell mit dem Deutschen Buchtrailer Award ausgezeichnet wurde. Da einen Favoriten herauszusuchen würde mir schwerfallen, weil alle Titel sehr unterschiedlich sind und einfach für sich stehen. Mit dem Halbleinen, der guten Papierauswahl und der tollen typographischen Umsetzung sind alle Titel von der Aufmachung und Gesamtgestaltung sehr hochwertig und ansprechend. Eine mustergültige Arbeit, die der Verlag da leistet.

Gibt es weitere Klassiker, die du gerne illustrieren würdest?

Die Balladen die sich für eine Buchumsetzung eignen sind zwar fast schon alle vergeben, aber vielleicht würde sich noch Fontanes „Die Brück‘ am Tay“ anbieten. Der Rückblick ins 19. Jahrhundert und in die Zeit der Industrialisierung, der Mensch und die Technik gegen die Gewalten der Natur, dass ist ein spannendes Sujet. Durch das Shakespeare-Zitat der Hexen aus Macbeth am Anfang und am Ende des Gedichts gibt es auch einen Verweis auf eine fantastische Welt. Diese Kombination von Mythischem und Realem könnte mir Spaß machen. Ein weiteres Gedicht, welches ich gerne für eine Umsetzung vorschlagen würde, ist Goethes „Totentanz“. Das morbide Motiv des geraubten Totenhemdes bietet reichlich Möglichkeiten für eine gruselige, aber auch witzige Umsetzung! 

Hast du für das Illustrieren eines klassischen Stoffes eine andere Herangehensweise als wenn du einen aktuellen Stoff illustrierst?

Meine Arbeitsweise ist in beiden Fällen sehr ähnlich. Am Anfang beschäftige ich mich intensiv mit dem Text. Dann informiere mich über die thematischen Hintergründe. Ich bin bei historischen Stoffen genauso intensiv mit der Recherche beschäftigt wie bei zeitgenössischen Stoffen. Bei meinem letzten Bilderbuch („Meine Mutter, die Fee“, Nikola Huppertz, Tulipan 2018), geht es z.B. um das Thema Depression. Da habe ich mich vor der kreativen Arbeit erst einmal mit der Krankheit auseinandergesetzt und mich darüber informiert. Dieses Wissen hat dann auch Auswirkung auf die Charaktere und Szenerien die ich später gezeichnet habe. Bei historischen Themen mache ich es genauso. Da ist eine Recherche natürlich nochmal doppelt interessant, weil man oft auf Sachen stößt, die man vorher gar nicht so bewusst kannte, beispielsweise die Form und Funktion von bestimmten Gegenständen, Möbeln oder Kleidungsstücken. Diese Kenntnisse fließen dann in die Illustrationen ein. Ohne die Recherche wären sie vielleicht nie Teil der Bilder geworden.

Wie findest du das Konzept des Verlags Klassiker kindgerecht aufzuarbeiten?

Ich glaube der Erfolg, den der Verlag mit diesem Konzept hat, spricht für sich. Kindermann besetzt mit seinem Programm eine Nische, die nach wie vor unglaublich gefragt ist. Klassische Stoffe kommen nie wirklich aus der Mode, weil sie einfach gut sind. Der Verlag geht dabei klug vor und legt dabei hohen Wert auf Qualität statt auf Quantität. Pro Jahr erscheinen nur wenige Titel, dafür auf einem ganz hohen Niveau. Mit einem festen Platz auf der Backlist, wird mit jedem Titel nachhaltig gearbeitet. Damit fühlt man sich auch als Künstler wert geschätzt.
Mit der Aufarbeitung der Klassiker wird ein neuer Zugang für Kinder, aber auch für Erwachsene, geschaffen. Die vermeintlich angestaubten Geschichten und Gedichte werden durch moderne Interpretationen und neue Bezüge spannend und verständlich. Viele der alten Texte sind inhaltlich immer noch aktuell und natürlich große Literatur. 
Wenn ich Lesungen oder Workshops gebe, dann werde ich ganz oft mit den „Balladen“ gebucht. Viele Lehrer die Deutsch unterrichten erhoffen sich, dass ihre Schüler dadurch ein größeres Interesse an den klassischen Stoffen entwickeln. Wenn ich dann beim Vortragen in die gebannten Gesichter der Kinder schaue und am Ende der Veranstaltung begeistert Rückmeldung bekomme, wie gut ihnen die Geschichte gefallen hat, dann zeigt sich, wie wunderbar dieses Konzept aufgeht.

Deine Arbeiten sind von der Bandbreite der illustrierten Stoffe sehr vielseitig. Gibt es ein Thema (Humor, Klassiker, Problemthemen), welches einen besonderen Reiz auf dich ausübt?

Viele der Themen, die mich besonders interessieren, bringen einen gewissen Anspruch mit sich, sind also nicht gerade „leichte Kost“. Bei meinen bisherigen Projekten waren das unter anderem Themen wie „Straßenkinder“ bei „Die Reise nach Ägypten“ (Hermann Schulz, dtv Reihe Hanser 2016), oder „Menschenwürde“ bei „Was WÜRDEst du tun?“ (Karin Gruß, Minedition 2016). Also Inhalte, die teilweise sperrig oder sehr komplex sind, bei denen man als Buchbetrachter auch stark gefordert ist. Es ist für mich jedesmal aufs neue interessant und spannend solche Themen aufzuarbeiten und mich damit länger auseinander zu setzen. Als Kulturschaffender habe ich auch ein gewisses Sendungsbewusstsein, und als Person die von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, auch eine gewisse gesellschaftliche Verantwortung. Durch meine Arbeit kann ich Menschen erreichen. Daher ist es ein schöner Gedanke, dass ich mit meinen Büchern die Leute zum Nachdenken anregen kann, zum Diskutieren und zum Austausch. Vielleicht öffnen sich dadurch bei einigen neue Horizonte oder sie entwickeln ein neues Bewusstsein für diese Themen.  
Natürlich muss es nicht immer tiefgründig sein. Ich finde humorvolle oder alberne Dinge haben die gleiche Berechtigung wie die Problemthemen. Es darf und soll auch gerne mal ganz leicht und witzig sein. Ich habe zum Beispiel bei meinem Pappbilderbuch „Monstermampf“ (Minedition 2017) auf der letzten Seite einen albernen Abschluss-Gag eingebaut, den die Kinder unheimlich lieben. Da geht ein kleines Wurstmonster auf Toilette, und als Betrachter kann man die Kloschüssel aufklappen und hineingucken. Das sorgt jedes Mal für unglaublich viel Gelächter und Freude bei den Kindern. Und auch bei mir. 

Bevorzugst du das Illustrieren eigener Geschichten oder worin liegt die Herausforderung fremde Stoffe zu visualisieren?

Bei einigen Büchern habe ich die Texte selbst geschrieben, beim Großteil stammen die Texte aber entweder von zeitgenössischen Autoren oder sind klassische Stoffe. Gerade diese Mischung macht den Reiz für mich aus. Es ist auf der einen Seite toll alle Fäden in der Hand zu haben, alle konzeptionellen Dinge entscheiden zu können, textlich, inhaltlich und gestalterisch. Auf der anderen Seite macht es aber auch unheimlich viel Spaß mit Texten zu arbeiten, die der Verlag oder Autoren anbieten. Das hat dann einen gewissen spielerischen Charakter, bei dem man eine Vorlage bekommt aus der man etwas Neues macht, indem man eigene Interpretationen findet, inhaltlich nochmal tiefer geht, die Geschichte erweitert – beispielsweise durch eine Rahmenhandlung, die nur auf der visuellen Ebene arbeitet.

Welches Buchprojekt war bislang deine größte Herausforderung und warum?

Das war „Ein roter Schuh“ (Karin Gruß, Bastei Lübbe Boje 2013) bei dem der Schauplatz der Geschichte ein Krisengebiet ist. Es geht in der Geschichte um die Begegnung eines Reporters mit einem schwer verletzten Jungen, der Opfer eines Granatangriffs geworden ist. Bei solch einem sensiblen Thema mit Fingerspitzengefühl den richtigen Ton zu treffen war für mich als Illustrator eine große Herausforderung und ich hoffe, es ist mir geglückt.
Gerade in der jetzigen Zeit, wo die Probleme Krieg und Flucht präsenter denn je sind, ist es wichtig sich mit jungen Menschen über diese Themen auszutauschen und Empathie für die Betroffenen zu wecken. Dieses Buch bietet eine Möglichkeit dazu. Im Rahmen meiner Recherche, habe ich viele Fotos aus Krisengebieten gesichtet, die einem unheimlich an die Nieren gehen. Dies dann für ein Bilderbuch aufzubereiten war eine sehr intensive Aufgabe.

Gibt es Illustratoren oder Maler, die du besonders schätzt oder deren Bücher du als Kind besonders mochtest?

Es gibt sehr viele und sehr unterschiedliche Bücher, die ich als Kind gern gelesen und betrachtet habe. Da eines bewusst herauszuheben, würde den anderen Autoren und Illustratoren nicht gerecht werden. Und es gab und gibt auch viele Künstler die mich faszinieren und inspirieren, die mich auf neue Ideen bringen, die meinen Blick öffnen für Anderes und Ungewöhnliches. Gerade in meiner Tätigkeit als Dozent an der Hochschule ist es superspannend mit jungen Leuten zusammen zu kommen, die einen ganz frischen Zugang zu gestalterischen Dingen haben und noch keine Zensur-Schere im Kopf. Ich arbeite mittlerweile seit über zehn Jahren als Buchillustrator und man hat dann die marktgängigen Kriterien verinnerlicht, weiß was funktioniert und was nicht funktioniert. Aber darin steckt die Gefahr bequem zu werden. Da ist es immer mal wieder gut neue Impulse von Aussen zu bekommen. Diese verhindern, dass die eigene Arbeit verflacht und man bleibt und offen für Neues. 

Deine Illustrationen sind kantig und scheinen durch die gedeckten Farben wenig kindgerecht, Farben setzt du ganz gezielt für Effekte ein – ist dies problematisch für manche Verlage oder Projekte? Gab es dazu schon kritische Rückmeldungen?

Der Großteil meiner bisherigen Buchprojekte sind zwar fern des Mainstream, aber sie sind auch nicht unbedingt Avantgarde. Natürlich gibt es auch immer wieder kritische Stimmen dazu. Wenn man versucht es allen recht zu machen, dann wird das Ergebnis beliebig und langweilig. Da bleibe ich lieber streitbar und treffe eine gestalterische oder inhaltliche Entscheidung, über die man dann diskutieren kann, die man gut finden aber gern auch schlecht finden kann. Die Verlage, mit denen ich zusammen arbeite, legen zum Glück großen Wert auf künstlerische Individualität und lassen mir in Gestaltungsfragen freie Hand. Diesen Umstand weiß ich sehr zu schätzen. Was in Bezug auf den Illustrationsstil oder die Farbgebung als „kindgerecht“ angesehen wird entscheiden leider meist die Erwachsenen und nicht die Kinder. Kinder sind, aus meiner eigenen Erfahrung her, von vornherein erst einmal neugierig auf alles. Sie machen keinen Unterschied ob rund oder eckig, hell oder dunkel, pink oder grau. Diese unvoreingenommene Freude an der Vielfalt sollte man Ihnen auch im Bilderbuch nicht nehmen. Vorlieben und Geschmäcker entwickeln sich dann natürlich mit der Zeit, aber erst einmal sollte jedem Kind ein großes visuelles Angebot zu Verfügung stehen. Es muss daher auch Bücher mit einer eigenwilligen Bildsprache geben, die mit Sehgewohnheiten spielt, die gern auch mal düster, melancholisch, unbequem oder abgründig sein darf. Nicht nur als Dozent sondern vor allem als Autor und Illustrator habe ich in diesem Zusammenhang eben auch einen Bildungsauftrag: der betrifft nicht nur inhaltliche Fragen sondern es geht auch um eine ästhetische Bildung. 

Vielen Dank für das interessante Interview!

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