Rezension

[REZENSION] Ein Stern in der Fremde

 

Redakteur: Anette Wolf

Titel: Ein Stern in der Fremde
Autorin und Illustratorin: Anna Desnitskaya
Übersetzer: Thomas Weiler
Verlag: Gerstenberg
Reihe: -/-
empfohlenes Lesealter: ab 5 Jahren
Ausführung: Hardcover, 40 Seiten
Autorin:
Anna Desnitskaya, in Moskau geboren, studierte an der Moskauer Staatlichen Universität für Druckwesen. Sie wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet und 2018 für den Astrid Lindgren Memorial Award nominiert. Sie lebt heute mit ihrer Familie in Montenegro. Bei Gerstenberg sind bereits mehrere von ihr gestaltete Bücher erschienen.

 

EIN STERN IN DER FREMDE

Noch heute nimmt meine Tochter ihr Lieblingskuscheltier mit in den Urlaub. Häschen ist ein Stück Zuhause. Nach ein paar Tagen kehren wir wieder zurück.
Daneben gibt es Menschen, die verlassen ihr Zuhause nicht aus freien Stücken über einen festgelegten Zeitraum. Sie müssen in einem fremden Land Zuflucht suchen, weil Krieg ausgebrochen ist und kehren vielleicht niemals in ihre Heimat zurück. Und oft müssen sie dort alles zurücklassen.
Anna Desnitskaya erzählt in „Ein Stern in der Fremde“ eine dieser Geschichten, die auch ihre ist, denn bis 2022 hat Anna ihr Leben in Moskau verbracht.
Aus einem Urlaub in Zypern kehren Anna und ihre Familie nicht nach Hause zurück, nachdem sie in den Nachrichten sehen, dass Russland in die Ukraine einmarschiert ist.
Ihre Geschichte erzählt sie im Nachwort des Buches.

Ein Mädchen erzählt von ihrem früheren Leben in einer Großstadt. In der Wohnung, in der sie dort gemeinsam mit ihrer Mutter gelebt hat, stand im Küchenfenster eine sternförmige Papierlampe. Diese konnte das Mädchen schon von Weitem sehen, wenn sie abends von der Musikschule nach Hause kam.
Dann begann der Krieg und das Mädchen ging gemeinsam mit ihrer Mutter in ein anderes Land.

Anna Desnitskaya erzählt die Geschichte in kurzen Sätzen, alles andere übernehmen ihre aussagekräftigen und formatfüllenden Illustrationen.
Zu Beginn ist in dem neuen Land alles fremd, dunkel und verregnet. Man versteht nicht, was die Menschen reden, die Reklameschilder an den Geschäften lassen sich nicht entziffern.
Die Wohnung ist fremd, kalt und unpersönlich, das Essen nicht wie früher Zuhause.
Irgendwann ist die Mutter anders und die Tochter auch, sie werden sich selbst fremd.
Bis die Mutter eines Tages mit einer Tüte vom Einkaufen zurückkehrt, in der sich alles befindet, was notwendig ist, um einen Stern zu basteln.

Dank des Sterns ist bald alles etwas weniger fremd und fängt an sich wie ein neues Zuhause anzufühlen.
Wo vorher alles dunkel und unverständlich war, zieht mit dem Licht des Sterns nun auch mehr und mehr Farbe in den folgenden Illustrationen ein.
Plötzlich versteht man die Menschen, die auf den Straßen unterwegs sind und kann die Schilder an den Geschäften lesen.
Ein einfaches und so beeindruckendes Stilmittel, um darzustellen, wie anders und fremd sich in einem neuen Land zu Beginn alles anfühlt und wie wichtig es ist, ein Stück alte Heimat in der Fremde zu haben oder wiederzufinden.

„Ein Stern in der Fremde“ ist sowohl bedrückend als auch beeindruckend als auch hoffnungsspendend.
Bedrückt hat mich sowohl Annas eigene Geschichte als auch die Passage im Buch, als Tochter und Mutter sich selbst gegenüber fremd wurden.
Beeindruckt hat mich der Einsatz der verwendeten Mittel, mit denen die Autorin fast ohne Worte darstellt, wie sich Fremde anfühlt und was passiert, wenn aus Fremde nach und nach eine neue Heimat wird.
Hoffnung spendet Annas Geschichte, denn ihre Familie und sie leben heute in Montenegro, wo es Anna möglich war, ihre und die Geschichte so vieler anderer vorm Krieg geflüchteten Menschen zu erzählen.

Hier ist immer noch alles anders als Zuhause.
Aber wenn ich jetzt abends von der Musikschule komme, kann ich schon von Weitem unser Fenster erkennen:
Durch die Dunkelheit der südlichen Nacht leuchtet dort immer der Stern.

 
 

—–DIESER BEITRAG ENTHÄLT WERBUNG—–

Tagged , , , , , ,

1 thought on “[REZENSION] Ein Stern in der Fremde

  1. Hallo und guten Tag Anette,

    ein Buch, dass vielleicht zeigt….das man seine Heimat irgendwie nie ganz vergessen kann/darf..egal was in der Heimat passiert/erlebt usw.
    Heimat ist halt Heimat und einen Neuanfang kann man nur so starten..

    LG..Karin..

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert