Nächsten Sommer
Verlag: Aufbau – Gustav Kiepenheuer
236 Seiten, Klappenbroschur
ISBN-10: 337800696X
ISBN-13: 978-3378006966
Was ist das Leben?
Eine Wundertüte?
Eine Losbude mit zu vielen Nieten?
Kleines Drama oder großes Kino?“Das Leben ist eine Wundertüte.” Entschuldigend fügt sie hinzu: “Hab ich mal gelesen.”
“Eher ein Überraschungsei”, überlegt Zoe. “Solange man die Gadgets zusammenbastelt und sich die Schokolade in den Mund stopft, freut man sich wie ein Kind. Doch sobald man fertig ist und das Ei gegessen hat, stellt man fest, dass das Spielzeug nicht funktioniert und die Schokolade nur zwei Dinge bewirkt: Hunger nach mehr und Hüftspeck.”
Als wir die Stadt verlassen, uns auf der Avus nach Süden wenden und die verwaisten Tribünen passieren, stellt sich zum ersten Mal diese besondere Aufbruchsstimmung ein. Nur dass bei mir Aufbruch Abschied heißt. Marc hat den Beifahrersitz so montiert, dass man mit dem Rücken zur Fahrtrichtung sitzt. So sehe ich nie, was auf uns zukommt, sondern nur, was bereits hinter uns liegt. Wie meine Großmutter früher, den Blick immer in die Vergangenheit gerichtet. Vielleicht, denke ich, passiert das bei jedem irgendwann – dass sich der Sitz dreht und man nicht mehr nach vorne sieht, sondern nur noch nach hinten. Eine Frage des Alters. Oder der Einstellung. Vielleicht.
Irgendwann kam dann die Sache mit “Nächsten Sommer” auf. Ich glaube, es war Bernhard, der uns von seinem Vorhaben erzählte, den Marathon mitzulaufen, und zwar in unter drei Stunden dreißig.
“Wann soll´n das passieren”, fragte Marc, “in deinem nächsten Leben?”
“Nein”, antwortete Bernhard entschieden, “nächsten Sommer.”
Seit diesem Tag war “Nächsten Sommer” das Synonym für “passiert sowieso nie”.