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[CHALLENGE] Writer’s Investment Challenge – JS & CH im Interview

Die beiden Vollblutschriftsteller Corinna Harder und Jens Schumacher können auf unzählige, erfolgreiche Werke in diversen Genres zurückblicken. Wenn sie nicht gerade schreiben, leiten sie kreative Workshops und unternehmen deutschlandweite Lesereisen. Zusammen arbeiten sie schon seit vielen Jahren für unterschiedlichste Projekte wie zum Beispiel eine international erfolgreiche Kinderbuch-Reihe über knifflige Kriminalfälle. Bei den black stories leben sie ihre Vorliebe für vertrackte, absonderliche und makabere Geschichten aus, die es am besten auf einer ihrer gemeinsamen, interaktiven Lesungen zu errätseln gilt.

Weitere Informationen: www.corinnaharder.de und www.jensschumacher.eu

Interviewpartner: Corinna Harder (CH) und Jens Schumacher (JS)

Was macht einen guten Schriftsteller aus?
JS: Da muss ich trennen, was für mich als Leser einen guten Schriftsteller ausmacht und was für mich als Autor. Als Leser mag ich Autoren, die originell und auf einem hohen Niveau schreiben, dass ich – der schon einiges gelesen habe – nicht den Rotstift ansetzen muss, es rezipieren kann und mich hineinfallen lassen kann. Als Autor ist für mich ein guter Schriftsteller, der keine pressewirksamen Phrasen drischt wie “die Geschichte hat sich verselbstständigt”, sondern der Tacheles redet , wie es wirklich ist und das wir zu 90% einen handwerklichen Beruf machen, davon ist keiner ausgenommen, auch keine Martha Grimes und kein Stephen King. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es den Leuten auch ganz sympathisch ist, wenn man da mit einigen Illusionen aufräumt, die sie von dem Gewerbe so haben.
CH: Ja, das passt so aus Lesersicht, das Buch muss mich fesseln, ich muss reingezogen werden in die Geschichte. Als Autor ist es auch einfach sehr menschlich, wenn man nicht so eine abgehobene Position einnimmt, sondern ganz authentisch bleibt und sagt, am Anfang war das alles andere als einfach, es ging zwar bei uns beiden recht schnell, dass wir uns gut positioniert haben am Markt, aber trotzdem ist es ein weiter Weg dahin, dass man von dieser Arbeit auch leben kann.
Welchen Anteil nimmt die Kreativität in eurem Arbeitsalltag ein und was ist reines Handwerk?
JS: Der ganz freie kreative Bereich ist tatsächlich relativ überschaubar. Das passiert eigentlich nur, wenn man neue Stoffe konzipiert und noch nicht mal im Angebotsstadium ist und man noch alles machen kann auf dem Papier. Was noch recht kreativ ist, wenn der Stoff dann verkauft ist, ist das Ausarbeiten, wobei da das Handwerkliche schon wesentlich mehr im Vordergrund steht.
CH: Allein schon, wenn man da die Struktur niederschreibt, das ist ja auch wieder Handwerk.
JS: Am Anfang, wenn man noch nicht 30, 40, 50 Bücher geschrieben hat, dann macht das auch noch mehr Spaß, dann kommt es einem noch kreativer vor, aber je öfter man es macht und Konventionen und Zwängen ausgesetzt ist, auf die die Verlage und leider auch der Markt selber Wert legt, fühlt es sich eher wie etwas Handwerkliches an. Dann kommen noch Sachen hinzu, wenn man hauptberuflich davon lebt, die überhaupt nichts Kreatives haben: Organisation von Lesereisen, Buchmessentermine legen, telefonische Absprachen treffen, da freut man sich nach drei Wochen Lesereise, wenn man wieder zwei Tage am Schreibtisch sitzen und etwas schreiben kann.

Welche Gründe sprechen dafür als Autor Facebook zu nutzen (CH) oder auch nicht (JS)?
CH: Ich bin über das private Profil reingerutscht. Bei mir war es nie eine Entscheidung ich gehe zu Facebook, um mich als Autorin zu präsentieren. Es war zunächst ein privates Profil und es ist lange Zeit mit ein paar Freunden dahingedümpelt, also wirklich die Leute, die ich tatsächlich gekannt habe, aber in den letzten zwei Jahren ist das echt explodiert, man hat zuerst 100 Freunde, dann 1000, dann die 5000, die das Limit sind, und dann habe ich mir eben überlegt, das Autorenprofil einzurichten, das von mir aber nur sehr leidlich gepflegt wird. Ab und an stelle ich mal ein Bild von einer Lesung ein oder gebe eine kurze Statusmeldung ab, wenn ich zu einer Veranstaltung unterwegs bin, aber als Marketinginstrument nutze ich Facebook nicht. Ich habe für mich festgestellt, dass es wirklich ein Zeitfresser ist, und ob es wirklich etwas bringt, um Buchverkäufe zu steigern, weiß ich nicht. Ich schreib ja hauptsächlich für eine Zielgruppe 3.-4. Schuljahr und die Kinder sind eben noch nicht bei Facebook.
JS: Mich fragen auf Veranstaltungen ja dauernd Leute, ob ich bei Facebook bin, aber ich sage, das brauche ich nicht, ich habe eine Webseite. Wenn dich interessiert, was ich mache, findest du mich über Google sofort. Wen es nicht interessiert, dass er nicht einmal im Monat auf meine Seite guckt, den muss ich auch nicht bombardieren mit Twittereinträgen oder zuspammen damit, an welcher Seite ich von meinem aktuellen Buch gerade schreibe. Das ist einfach nicht meine Vorstellung von relevanten Informationen, das steht in keiner Relation, was es mir an zusätzlichem Aufwand bereiten würde dazu, was es denn tatsächlich bringt.
CH: Ich glaube, das kann auch stark in Richtung Selbstbeweihräucherung gehen.
JS: Deshalb konzentriere ich mich auf die überschaubare Webseite, die immer so aktuell ist, wie es irgendwie geht, wenn irgendwo ein Interview erschienen ist, dann steht das da. Und wen das interessiert, der findet es auch da. Und wen es nicht genug interessiert, der kauft sich auch nicht ein neues Buch, nur weil ich es über Facebook gepostet habe. Meine Priorität ist eher wenig Onlineaktivität, dafür aber jederzeit repräsentativ und aktuell.
Gibt es Geschichten, die ihr schon immer schreiben wolltet, aber aus verschiedenen Gründen nicht schreiben (oder veröffentlichen) konntet?
JS: Es gibt viele Sachen, auf die ich noch mehr Lust hätte als die, die ich momentan tatsächlich schreibe. Ich würde sehr gerne ein interaktives Spielbuch für Erwachsene schreiben. Ich mache ja bei Schneider die “Welt der 1000 Abenteuer”, Fantasy-Quest-Books für Kinder, das würde ich sehr gerne mit einer erheblich gesteigerten Komplexität für Erwachsene machen. Aber es gibt überhaupt keinen Markt dafür. Und ich habe so 1-2 supertrashige Splatter-Romane noch von früher in der Schublade liegen aus der Zeit, wo ich noch nicht beruflich geschrieben habe, die irgendwann vielleicht in einem kleinen Verlag erscheinen werden, und darüber hinaus bin ich mittlerweile in der glücklichen Lage viele der Sachen, auf die ich Lust habe und die ich anbiete, auch tatsächlich schreiben zu können. Die nächste Reihe von mir wird auch etwas sein, auf das ich sehr viel Lust habe, was ich seit 15 oder 20 Jahren machen wollte und eine Alleinstellung auf dem deutschen Markt haben wird wie meine “Welt der 1000 Abenteuer”.
Corinna hat ein paar erotische Romane in der Schublade, aber die traut sie sich nicht zu veröffentlichen, weil das als Kinderbuchautorin nicht gut aussieht *lacht*
CH: Dafür war ich vor zwei Wochen in einem SM-Studio und hatte dort eine Lesung.

Für so etwas gibt es ja auch Pseudonyme, wie steht ihr eigentlich dazu?
CH: Ich habe ein Pseudonym für eine Kinderbuchreihe, eine Detektivreihe, die es schon sehr lange gibt, das habe ich selbst geprägt und das nutze ich. Ansonsten bin ich zu einer Serie dazugestoßen, die es schon lange auf dem Markt gibt und da habe ich mich dem bestehenden Pseudonym unterworfen. Ansonsten ist es für mich derzeit nicht notwendig unter Pseudonym zu schreiben. Sollte es wirklich mal zu erotischer Frauenliteratur kommen, denke ich nochmal drüber nach, aber aktuell steht das nicht zur Diskussion.
JS: Ich habe schon unter Pseudonym veröffentlicht, als ich noch studiert habe, aber das wird niemand erfahren für welche lesbische Vampirereihe ich da geschrieben habe. Es gab einfach Szenen, die in den Geschichten passieren mussten, die würden sich in meinem Portfolio nicht so gut machen, von daher bin ich froh, das ich das damals unter Pseudonym geschrieben habe. Ansonsten halte ich es aber für ein bisschen überbewertet. Mir haben Agenturen gesagt, es wäre schlecht, dass ich so viele verschiedene Sachen mache, und damit im Grunde kein klares Profil hätte, aber es gibt viele Beispiele, bei denen das super funktioniert. Ich habe hier gerade ein Buch von Thomas Thiemeyer liegen gesehen (Anmerkung: das Interview fand in der Buchhandlung Villa Herrmann, Gustavsburg statt) und auch von 1000 Gefahren bei Ravensburger für Kinder ab 8 bis zu Erwachsenenthrillern bei Droemer Knaur alles macht, nebenbei noch illustriert, und trotzdem hat die Welt keinen verwaschenen Eindruck von ihm. Ich finde, man kann die Leute, die mehr machen mit Herzblut besser einschätzen als die, die für alles was etwas aus dem Rahmen fällt eine Maske aufsetzen, sodass man gar kein Gesamtbild von ihnen auf dem Schirm hat. Dadurch, dass ich die Erwachsenromane immer mit Jens Lossau geschrieben habe, hatten die ein Unterscheidungsmerkmal zu den Kinderbüchern, sodass sich noch keiner beschwert hat “Ich hab meinem 11jährigen Sohn “Der Orksammler” geschenkt, das ist ja schrecklich und gar nicht für Kinder”, aber wenn das mal käme, dass ich alleine einen harten Erwachsenenroman oder etwas Erotisches schreiben würde, dann würde ich es mir überlegen, weil sonst die Gefahr besteht, das man sonst einen Teil seiner eigentlichen Zielgruppe verfehlt. Ich würde es aber nicht machen, weil der Verlag das sagt. Ich kenne Fälle, wo Kollegen Pseudonyme annehmen mussten, damit man ein Buch als Debüt vermarkten konnte, das würde ich nicht machen.
Kennt/lest ihr Buchblogs?
JS: Da meine Freundin einen Buchblog führt, lese ich in letzter Zeit öfters einen, und darüber auch ein paar andere, weil dort welche verlinkt sind, und finde das auch süß und interessant, was da passiert, aber meine Erfahrung zeigt mir, dass der physische Markt, wo ich mein Geld verdiene und das Internet sich an keiner Stelle berühren. Ich bin im Internet schon hochgelobt und auch verrissen worden und das hat komplett durch die Bank nichts bewirkt, während wenn ich eine dreiviertel Seite in der FAZ hatte, dann hat am nächsten Tag der Verlag angerufen, “Wir haben gestern 300 Hardcover rausgeschickt, war irgendwo was in der Presse?”. Das mag sein, dass das im Wandel ist, das mag auch sein, dass sich das irgendwann ins Gegenteil verkehrt, aber im Moment ist es für mich nicht relevant.
CH: Ich kann es mit einem Satz sagen: Ich lese keine Blogs. Mir ist tatsächlich etwas Gedrucktes lieber.
Wie hoch schätzt ihr den Aufwand ein, um eine aussagekräftige Rezension zu verfassen?
JS: Da ich für die Stiftung Lesen schon Workshops zu diesem Thema gehalten habe, auf was man achten sollte oder was man nicht machen soll, da habe ich schon eine ganz gute Vorstellung davon. Ich hab auch früher für eine Zeitschrift Rezensionen und Essays geschrieben. Eine richtig ausführliche Rezension, um jemandem zu informieren, der gar keine Ahnung von dem Buch hat ist eine Leistung, die ich respektiere, das ist aber leider nicht auf allen Blogs so. Es wäre schon schön, wenn alle Buchblogger das könnten, die Sache auch ernst nehmen, und den Tick Verantwortung sehen, der auch dahinter steckt, und nicht sagen, das lesen nur meine Abonnenten und meine Freunde, also kann ich machen was ich will.

CH: Es stimmt ja gar nicht, dass ich keine Online-Rezensionen lese. Es gibt doch so Fanseiten, da tummele ich mich schon, und da ziehe ich meinen Hut. Wenn ich eine Rezension lese, die mehrere tausend Zeichen umfasst und ich sehe, der Rezensent hat sich tatsächlich mit dem Thema befasst, da ist für das Schreiben ja auch schnell mal ein Tag weg, mal davon abgesehen, dass man das Buch vorher noch lesen muss.

JS: Die Gefahr, die ich im Internet sehe ist, dass wirklich jeder seine Meinung ungefragt kundgeben kann. Ich habe erst kürzlich in einem Interview gesagt, das ich nicht verlange, das jeder Literaturwissenschaft studiert hat, der ein Buch von mir bespricht, aber gewisse Rudimente sowohl bei der Verwendung der Sprache als auch gesellschaftlich, wie man (negative) Kritik herüberbringen kann und darf über eine Person, die man nicht kennt und die einem nichts getan hat. Und diese Kritikpunkte kann ich eben doch viel öfter im Internet als bei Printmedien anbringen, da dort noch ein Redakteur und ein Korrektorat dahinter sitzen. Manche Rezensionen sind für mich auch keine Rezension, wenn da einer nur etwas Scheiße fand und Punkt. Da kommt eben für mich dieser negativ behaftete Beigeschmack her, den ich gegenüber Onlinerezensionen hege.

CH: Ich muss ehrlich sagen, bei mir kommt schon der Unmut ein bisschen hoch, wenn ich für ein Hörspiel böse kritisiert werde, wo lediglich die Buchvorlage von mir stammt und das Drehbuch hat jemand anderes geschrieben und ich habe auf die Umsetzung überhaupt keinen Einfluss.

JS: Genau das ist so eine Sache, die ich meinte. Wenn man noch nicht mal weiß, das die Buchvorlage und das Drehbuch von unterschiedlichen Leuten stammen, obwohl man es auf dem Medium nachlesen kann. In der Verantwortung sollte man sich schon sehen, auch wenn man nur nebenberuflich oder als Hobby Rezensionen schreibt, du musst keinen literaturwissenschaftlichen Jargon benutzen, wenn du eine Buchbesprechung verfasst, aber gewisse Rudimente des Journalismus gehören schon dazu, wenn man eine Onlinecommunity hat.

BLACK STORIES
Bekommt ihr Themen für die Black Stories vom Verlag vorgegeben oder tragt ihr Vorschläge an den Verlag heran?
CH: Sowohl als auch.

JS: Ja, beides. Das ist auch sehr schön, weil erstens ist es schön, wenn wir die Themen auf die wir Lust haben, machen können, zweitens ist es gut, wenn einer sagt, das ist zwar eine witzige Idee, kauft aber keiner, denn die Verantwortlichen kennen den Markt für diese Spiele, und drittens ist es auch schön, wenn von außen etwas reinkommt. Die Christmas Edition oder die Mittelalter Edition wurden zum Beispiel von Verlagsseite an uns herangetragen, und ich weiß nicht, ob wir von uns aus darauf gekommen wären. Und gerade die Mittelalter Edition war eine Superidee, da das ja eine richtige Subkultur entwickelt hat und beinahe schon ein Mainstreamthema ist. Für nächstes Jahr sind schon zwei potentielle Themen vom Verlag vorgeschlagen und eins, das wir angeboten haben, sieht gut aus, dass es umgesetzt wird. Es hält sich also weiter die Waage.

Was ist zuerst da – das schaurige Ende einer Black Story oder die Geschichte, die dazu führt?
CH: Je nach Thema steht erstmal Recherche an.

JS: Genau, da wir viele Editionen machen, die auf reellen Fakten basieren – die Mittelalter Edition ist beispielsweise komplett historisch belegt, oder die Funny Death Edition beruht auf wahren Todesfällen – das heißt, da ist wirklich immer zuerst das Ergebnis da, der spektakuläre Tod oder die makabere Anekdote, und dann müssen wir das von hinten aufrollen, wie können wir das Thema mit 1-2 Sätzen kryptisch anreißen. Die Textmengen sind ja sehr klein auf den Karten, sodass man in mehreren Durchgängen durch die Edition gehen kann bis das Ergebnis steht, man kann nochmal etwas ändern, ohne dass man Monate seiner Lebenszeit investiert, wie wenn man einen mehrhundert Seiten langen Roman umschreiben würde. Das ist sehr angenehm bei den Black Stories.

CH: Bei der Christmas Edition sind wir so herangegangen, was passiert denn so an Weihnachten? Welche Situationen gibt es, was sind die typischen Schlagworte und Szenerien, und dann wird losgelegt.

Danke für das Interview!

© Katze mit Buch & Ranathecat

Fragen von Ranathecat in Abstimmung mit der Katze mit Buch.
Das Interview wurde von der Katze mit Buch geführt.
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