Interview

[INTERVIEW] Alex Rühle

Redakteur: Anette Leister, Julia Ehrenberg, Natalie Burger

Selten kommt es vor, dass wir uns so einig über ein Buch sind, wie wir es bei „Zippel, das wirklich wahre Schlossgespenst“ waren. Gleich drei von uns haben es gelesen (Anette, Julia und Christiane) und haben dem Buch durchweg die Bestnote gegeben.
Natürlich haben wir uns deshalb sehr auf den Interviewtermin mit Alex Rühle gefreut, und auch für Natalie war das Gespräch interessant, zum einen hat sie Zuhause in ein paar Jahren das geeignete Zielpublikum für Vorlesebücher, zum anderen hat sie als einzige von uns Alex Rühles Buch „Ohne Netz. Mein halbes Jahr offline“ gelesen, über das wir nach den Fragen zu Zippel auch noch einiges wissen wollten.

 

© Natalie

 

 

Du bist mit Zippel zum ersten Mal im Kinderbuchbereich unterwegs. Wie kam es dazu?

Ich habe zwei Kinder, die beiden sind inzwischen schon 16 und 14 Jahre alt, aber ich habe ihnen zehn Jahre lang jeden Abend eine Geschichte erzählen müssen. Damals habe ich schon einige Sachen immer mal wieder aufgeschrieben, dann aber liegen lassen. Jetzt bin ich etwas älter, meine Kinder sind auch älter und ich habe Schlafstörungen seit ein paar Jahren. Manchmal stehe ich nachts auf, das ist besser als 2-3 Stunden zu grübeln, und setze mich in die Küche. Eines Tages, als ich bei uns abends die Tür aufmachte, wackelte das so, und ich hatte das Wort Schlossgespenst im Kopf, also ein Gespenst, das im Schloss wohnt. Und dann wachte ich nachts auf mit diesem Wort Schlossgespenst im Kopf. Und da habe ich angefangen mit dem Buch, und der Rest ist dann einfach entstanden.

Hat sich mit dieser Idee automatisch ergeben, dass du für eine Zielgruppe ab 6 Jahren geschrieben hast?

So habe ich überhaupt nicht gedacht, es ist dann später die Geschichte geworden, die es geworden ist. Ich hatte da einfach diese Idee, die Situation vom Nachmittag, nur mit einem Jungen statt einem langweiligen Erwachsenen. Der Junge kommt nach Hause, macht die Tür auf und da kommt ein Schlossgespenst aus dem Türschloss. Dann ist der Text gewachsen und es war irgendwann klar, das ist eher für so 6-8jährige.

Hast du bestimmte Bücher oder Autoren aus deiner Kindheit, die dir besonders am Herzen liegen?

Alles von Astrid Lindgren! Astrid Lindgren hat so ein großes Herz und schreibt so schön für Kinder. Sie stärkt Kinder. Astrid Lindgren ist wie Rückenwind!

Sind das auch Bücher, die du deinen Kindern früher vorgelesen hast, oder haben die ganz andere Bücher gelesen?

Astrid Lindgren haben sie rauf und runter gelesen, und nicht, weil ich sie gezwungen habe. Meine Tochter vor allem. Mein Sohn wollte viel Abenteuer und natürlich ganz früh auch Harry Potter, so mit 7 oder 8.

 

© Julia

 

Kanntest du Axel Scheffler bereits vor eurem gemeinsamen Buchprojekt?

Wir haben alle Bücher von Axel Scheffler – also wirklich alle – mit den Kindern gelesen. „Die Schnecke und der Buckelwal“ und natürlich den Grüffelo, den die Kinder auswendig konnten. Das hat mich dazu veranlasst, ihn einfach anzuschreiben. Als Verehrer sozusagen, ich finde Sie toll, Ihre Bücher sind Teil unseres Wohnungsmobiliars, könnten Sie sich das vorstellen? Das fand er erst einmal nicht so lustig, das hat er wohl so noch nicht gehabt. Er hat dann erst einmal reserviert reagiert, was ich total verstehe, und ich habe mich dann auch entschuldigt, ich war ja etwas übergriffig. Damit war es für mich eigentlich gegessen, aber dann hat er wahnsinnig nett geschrieben, Ach, wissen Sie was, ich fahre mit meiner Tochter jetzt in den Urlaub, schicken Sie das erste Kapitel, wenn es ihr gefällt, mach ich´s. Und dann hat es ihr glücklicherweise gefallen, das ist ein ganz ganz tolles Mädchen.
(alle lachen)
Ich kenne sie nicht, aber sie ist wunderbar. Also ihr habe ich es zu verdanken.

Hattest du Mitspracherecht daran, wie Axel Scheffler die Figuren in Bilder umgesetzt hat?

Mitspracherecht würde ich nicht sagen, das klingt ja, als ob wir juristische Verträge unterschrieben hätten, und so tickt weder der Scheffler noch ich. Er war total nett in dieser Hinsicht. Er hat erst einmal ein Cover geschickt, das er gemacht hat, und da haben meine sehr tolle Lektorin Dorothee Dengel und ich geschrieben, vielleicht könnte man noch so oder so…, und da ist er super darauf eingegangen, hat noch zwei- oder dreimal Änderungen gemacht. Aber bei den Innenbildern, die sind fast alle so geblieben, wie sie waren. Ich habe mir dann nur noch eine Szene dazugewünscht. Es gibt so einen Glücksmoment von Zippel, wie er diese Schlösser entdeckt. Da habe ich ihn gefragt, ob er das vielleicht noch zeichnen könnte, und netterweise hat er auch das noch gemacht. Ansonsten hat er die Szenen, die er gezeichnet hat, selbst ausgewählt, und ich war sehr gespannt, welche Szenen er nimmt.

Ist für Zippel eine Fortsetzung geplant?

Wenn es nach mir geht, sehr sehr gerne.

Wenn es nach uns geht, auch!

 

© Julia

 

Hast du schon andere Ideen und willst du auf jeden Fall im Kinderbuchbereich noch einmal etwas veröffentlichen?

Es ist gerade ein Buch in den Druck gegangen, das ist aber etwas völlig anderes, mehr so für 10-11jährige. Eine unheimliche Geschichte, die eigentlich nur nachts spielt. Eine Junge merkt, dass er nachts von seinen Träumen in die Träume anderer gelangen kann, und dann merkt er, dass unsere Träume gespeichert werden. Es gibt eine Art geheimes Archiv der Träume. Das wird von zwei Brüdern verwaltet und der eine von beiden sagt irgendwann, Was soll der Scheiß, die Menschen vergessen ihre Träume doch eh, die sind es doch gar nicht wert, dass wir sie aufbewahren. Der wechselt dann in die Tagwelt zu uns herüber und macht daraus ein Handyspiel, ein Spiel, nach dem man sofort süchtig ist, weil es viel besser als alle anderen ist, dadurch, dass er die Träume anzapft. Das ist also ein ganz anderes Setting und ganz andere Altersgruppe. Das kommt im März heraus.
Im Kinderbuchbereich habe ich neben Zippel noch zwei andere Ideen.

Auf die nächste Frage kam ich nicht selbst. Aber ich war so begeistert von dem Buch und hatte so einen Spaß beim Lesen, dass ich in den sozialen Medien Zippels Kacka-Pipi-Gedicht zitiert habe. Und da kam von einem Erwachsenen die Frage, ob damit auch andere “braune Scheiße” gemeint ist. Hattest du beim Verfassen dieses Verses tatsächlich diesen Hintergedanken oder interpretieren Erwachsene einfach viel zu viel in Kinderbücher und bestimmte Aussagen hinein?

Gar nicht. Ich bin Redakteur in der Süddeutschen Zeitung und da schreibe ich viel über politische Themen. Dieses Schreiben ist wirklich ganz anders. Bei Zippel habe ich da überhaupt nicht dran gedacht. Pipi und Kacka ist einfach für alle Kinder auf dieser Welt lustig.

 

© Natalie

 

Du hast ja auch „Ohne Netz. Mein halbes Jahr offline“ geschrieben.
Siehst du das Internet eher als Fluch oder Segen? Wo siehst du Gefahr, dass Kinder auch eine Sucht entwickeln?

Ich habe das Gefühl, dass Kinder das generell nicht kontrollieren können. Zeig mir ein Kind, dass von sich aus nach einer halben Stunde sagt: Mama, ich lege jetzt mein Handy weg. Und wir Erwachsenen leben es ihnen vor. Da hat uns über Nacht eine Technik überrumpelt. Wir sind alle nicht in der Lage, damit dosiert umzugehen.
Das war der eine Grund, warum ich es gemacht habe, mir beim Entzug zuzusehen, denn ich bin ein heavy, heavy User. Das andere war aber auch, dass es mich so genervt hat, dass es wie ein Religionskrieg war. Die einen sagen, oh, das Internet, das führt uns jetzt ins Paradies, und die anderen, das führt zur totalen Verblödung.
Und deshalb ist die Antwort ja und nein, denn wir machen es verkehrt. Aber gleichzeitig ist es die beste Wissensorganisationsmaschine des Universums, wenn man es zu bedienen weiß. Beispiel Youtube, mein Sohn ist 16 und zaubert, das lernt er alles über Youtube. Aber es ist gleichzeitig eine Verschwörungsmaschine. Wenn du bei Youtube Mondlandung eingibst, sind die ersten neun Videos Videos darüber, dass die Mondlandung nie stattgefunden hat. Dadurch, dass Kinder unkontrolliert darin sind, ist es sehr schwierig.

Das Buch „Mein halbes Jahr offline“ ist jetzt einige Jahre her. Hat sich dein Nutzungsverhalten nachhaltig verändert?

Es ist ein bisschen anders geblieben, ich habe Auszeiten, aber gleichzeitig bin ich, wer ich bin. Wir hatten letztes Jahr ein Verkleidungsfest, wo man sich als Wunsch verkleiden sollte, ich kam als Garten, weil ich mitten in der Stadt wohne und gerne einen Garten hätte. Meine Frau hat sich als Funkloch verkleidet, weil sie so genervt davon war, dass ich und meine Kinder immer am Handy hängen.
Ich habe schon überlegt, das Buch jetzt zehn Jahre später noch einmal zu schreiben. Das Problem ist nicht geringer geworden.

Wir fänden das sehr interessant, es ist seitdem ja viel dazugekommen. Vor 10 Jahren, da hatten einige von uns noch nicht einmal ein Smartphone.

Damals, 2009, konnte man sich noch besser durch eine analoge Restewelt tasten. Es gab noch Telefonzellen. Es wäre heute viel schwerer.
Aber ich bin damals ja auch bei der SZ geblieben, es wäre ja langweilig ein halbes Jahr auf einen Bauernhof zu gehen. Zu Hause war es ein riesiger Zugewinn, plötzlich war da wieder eine Mauer um mich herum, wenn ich zu Hause war, war ich weg. Mein Chef ruft mich nicht abends um elf Uhr an, aber Mails schicken wir uns bis Mitternacht.

 

 

Vielen Dank für das nette und informative Gespräch!

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3 thoughts on “[INTERVIEW] Alex Rühle

  1. Hallo und guten Tag,

    irgendwie hat der Autor für mich Ähnlichkeit mit seinen Romanhelden..zumindest die gleiche nette Ausstrahlung oder?

    LG..Karin…

    1. Ja, sehr nett! Das Interview hat wirklich viel Spaß gemacht, wobei ich dieses Jahr bei allen drei Interviews sehr offene und nette Autoren als Gegenüber hatte.
      LG Anette

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