Stirbst du auch?
Am 22. Januar war ich in Geisenheim auf einem Vortrag zu Tod und Trauer in Bilderbüchern:
„Stirbst du auch? Tod und Trauer im Bilderbuch“ gehalten von der Lese- und Literaturpädagogin Barbara Knieling, organisiert vom Rheingau-Taunus-Kreis im Rahmen des kreisweiten Lesefestes.
Warum hat dieses Thema mein Interesse geweckt?
Das Thema hat mich zum einen angesprochen, da ich häufig Bilderbücher lese und auch bespreche, und tatsächlich einige Titel zu diesem Thema besitze und auch schon besprochen habe. Zum anderen ist meine Nichte und Mitrezensentin Sabrina noch weit mehr in dieses Thema involviert, da sie durch ihren Beruf als Erzieherin dieses Thema bereits mehrfach auf der Arbeit behandelt hat, leider auch in akuten Situationen.
Tod und Trauer hat viele Formen
Zu Beginn der Veranstaltung zitierte Barbara Knieling frei nach Seneca, dass Geburt und Tod alle Menschen verbindet. Wer geboren wird, muss zwangsläufig irgendwann sterben. Den Tod zu integrieren heißt das Leben zu genießen und bewusster zu leben.
Bilderbücher, die das Thema Tod und Trauer behandeln, sind vielfältig, da auch der Tod und die Trauer in vielen Formen auftreten können. Jedes Buch transportiert eine Weltanschauung und nicht jeder Mensch teilt jede Haltung.
Es ist zu empfehlen Kinder an die Themen Trauer und Tod heranzuführen, bevor man sie auf Grund einer akuten Situation ansprechen muss. Zudem ist es auch für Erwachsene einfacher sich mit diesen Büchern auseinanderzusetzen auf der Suche nach dem passenden Titel, wenn man nicht gerade selbst stark in einen Verlust involviert ist.
Umso wichtiger ist es, dass Buchhändler, Erzieher oder Ärzte passende Empfehlungen aussprechen können. So waren unter den Zuhörern tatsächlich viele aus den genannten Berufsgruppen anwesend.
Je nach Art des Verlusts bieten sich verschiedene Bücher an. Als Hilfe gab uns Barbara Knieling eine Liste mit aktuell lieferbaren Titeln an die Hand, die nach folgenden Schwerpunkten katalogisiert waren:
– Tod eines Haustieres
– Transfer ins Tierreich
– Tod eines Menschen
– Tod eines Elternteils
– Tod eines Kindes
– Fragen nach Leben, Tod, Brauchtum
– Personifizierter Tod
Stilmittel zur Veranschaulichung
Es ist auffällig, dass häufig Stilmittel wie Farben eingesetzt werden. Dunkle Farben symbolisieren die Trauer, hellere Farben zeigen, dass das Leben weitergeht oder spenden Hoffnung.
Auch das Gleichsetzen von Tod und Trauer mit dem Winter ist ein Bild, das einige Bücher aufgreifen.
Literatur als Hilfsmittel, Berufsfelder mit Auftrag
Bücher können Hoffnung spenden und trösten.
Es ist keine Verpflichtung, dass sich Erzieher oder Lehrer mit dieser Thematik auseinandersetzen und sich entsprechend fortbilden. Ich erachte es aber als sehr wichtig, dass sich gerade Erzieher, Buchhändler oder Bilbliothekare mit den Themen Tod und Trauer in Büchern auseinandersetzen, um auf Nachfrage die richtigen Titel empfehlen zu können.
Ansonsten kann sich jeder Interessierte oder Betroffene natürlich selbst ein Bild machen:
Sprechen mich die Illustrationen an, sind sie kindgerecht? Wenn ein Buch Tod und Trauer aus Glaubenssicht thematisiert, tröstet mich das oder schreckt es mich vielmehr ab? Wird der Tod so dargestellt, dass das Buch mir in meiner persönlichen Situation hilft oder hat es für diesen speziellen Fall den falschen Inhalt? Suche ich ein Buch für einen akuten Trauerfall oder möchte ich mich allgemein mit dem Thema beschäftigen? Für welche Altersklasse soll das Buch geeignet sein?
Buchvorstellungen und Anmerkungen
Titel, die man zum Tod eines Tieres lesen kann sind beispielsweise „Mikas Himmel“ (Bibi Dumon Tak, Annemarie van Haeringen) oder „Adieu, Herr Muffin“ (Ulf Nilsson, Anna-Clara Tidholm). Auch in „Der Tod auf dem Apfelbaum“ (Kathrin Schärer) spielt ein Tier die Hauptrolle, allerdings ist dies ein Buch, welches nicht in Fällen von akuter Trauer geeignet ist, da man in einer solchen Situation keine logischen Erklärungen hören möchte, warum der Tod wichtig und unumgänglich ist.
Das falsche Buch zur falschen Zeit kann großen Schaden anrichten!
Der Titel „Gehört das so?“ (Peter Schössow) ist ein Beispiel dafür, dass man den Tod immer mindestens zweimal erlebt. Das erste Mal durch den unmittelbaren Verlust des Menschen/Tieres, das zweite Mal durch die Ignoranz der Umgebung.
Da es Titel gibt, die auch die Hölle thematisieren, wie „Abschied von Opa Elefant“ (Isabel Abedi, Miriam Cordes), sollte man die Bücher auf jeden Fall immer zuerst ohne Kinder lesen. Selbst wenn ein Titel für einen bestimmten Fall sehr gut geeignet ist, kann es immer einzelne Seiten oder Sequenzen geben, die man als Elternteil oder Erzieher den Kindern nicht zumuten möchte.
Was macht man, wenn der Verlust ganz plötzlich durch einen Unfall eintritt? In diesem Fall gibt es leider nur wenige Buchtitel, die geiegnet sind. Meistens werden Verluste durch das Alter oder eine lange Krankheit thematisiert. „Leb wohl, lieber Dachs“ (Susan Varley) kann man bei Tod durch Alter einsetzen, da das hohe Alter hier als Erklärung für den Verlust herangeszogen wird, für den Tod eines Kindes wäre der Titel dagegen völlig unpassend.
„Die wilden Zwerge. Tschüss, kleiner Piepsi!“ (Meyer-Lehmann-Schulze, Susanne Göhlich) zeigt, dass Kinder häufig unbefangener mit dem Thema Tod umgehen und das Buch hat unter anderem zum Thema, wie Bestattungen in anderen Kulturen durchgeführt werden.
Eine besondere Empfehlung ist „Über den großen Fluss“ (Armin Beuscher, Cornelia Haas), aktuell eines der schönsten Bücher auf dem Markt. Der Autor hat es aus eigener Betroffenheit geschrieben. Wie viele Geschichten wurde auch diese ins Tierreich übertragen, weil Kinder ein Tier als Neutrum wahrnehmen und man die Geschichte durch den Transfer besser auf unterschiedliche Situationen übertragen kann. Das Buch wirft unter anderem die Frage auf, ob man immer trauern muss, oder ob es in Ordnung ist, wenn man trotz des Verlustes auch wieder Freude und Spaß empfinden kann. Lachen befreit und es ist wichtig für die Trauerverarbeitung, dass man sich über den Verstorbenen austauscht und die positiven Erinnerungen in den Mittelpunkt stellt.
„Überall und nirgends“ (Bette Westera, Sylvia Wede) ist kein typisches Bilderbuch, sondern beinahe ein Coffee Table Book, welches durch seine ganz besondere Ästetik besticht. Es thematisiert sehr viele Arten des Sterbens. Es ist eines der wenigen Bücher, das auch das Thema Suizid nicht ausklammert.
„Und was kommt dann?“ von Pernilla Stalfelt bietet durch den besonders kindhaften Zeichenstil der Autorin ein hohes Identifikationspotential für Kinder.
„Was ist das?, fragt der Frosch“ (Max Velthuijs) und „Die besten Beerdigungen der Welt“ (Ulf Nilsson, Eva Eriksson) stellen Beerdigungen in den Mittelpunkt, zeigen aber auch auf, dass das Leben danach weitergeht.
In „Der Baum der Erinnerung“ (Britta Teckentrup) wird Abschied und Tod mit dem Winter gleichgesetzt. Im Frühjahr entsteht neues Leben. An der Stelle, an der der Fuchs gestorben ist, wächst der Baum der Erinnerung.
Die meisten Bücher eignen sich auch als Trost für betroffene Erwachsene, denn häufig wurden sie von den Autoren geschrieben, die selbst Trauer durch Verluste verarbeiten mussten.
„Limonade“ von Jutta Bauer und „Ente, Tod und Teufel“ von Wolf Erlbruch sind Titel, die den Tod personifizieren.
Jutta Bauers Buch „Opas Engel“ ist nicht unbedingt zeitlos, da das Thema Krieg aufgegriffen wird, explizit der Zweite Weltkrieg. Es passt ganz speziell auf Situationen, wenn man damit aktuelle Bezüge zu Kriegen verarbeiten möchte.
„Die schlaue Mama Sambona“ (Hermann Schulz, Tobias Krejtschi) ist eine Geschichte mit personifiziertem Tod und inhaltlich ähnlich zu „Der Tod auf dem Apfelbaum“, da auch hier ein Geschäft mit dem Tod abgeschlossen werden soll.
Kinder spielen den Tod ihrer Tante in „Tante Lotti geht in den Himmel“ (Ruth Feile, Kathrin Feile) nach. Für Erwachsene mag das befremdlich wirken, für Kinder ist das jedoch ein wichtiger Teil ihre Trauer zu verarbeiten, deswegen sind solche Titel zu empfehlen, genau wie Erläuterungen zum Thema Beerdigungen in Büchern wie „Hat Opa einen Anzug an?“ (Amelie Fried, Jacky Gleich).
Erinnerungen an die Großeltern liefern Bücher wie „Als Oma immer kleiner wurde“ (Inka Pabst, Mehrdad Zaeri), „Meine Omi, die Wörter und ich“ (Nikola Huppertz, Elsa Klever) oder „Auf Wiedersehen, Oma“ (Birte Müller).
Dass man sich bewusst mit dem Leben auseinandersetzen sollte und jeden Tag genießen, da man laut Seneca immer gleich weit entfernt von seinem Ableben ist, egal, ob man jung oder alt ist, ist das Thema in „Wie Großvater schwimmen lernte“ (Viola Rohner, Dorota Wünsch). Das Buch zeigt, dass es sich immer lohnt neues zu lernen, ganz unabhängig davon, wie alt man ist.
„Und was kommt nach tausend?“ (Annette Bley) bietet Philosophie übers Leben und Sterben.
„Das Leben und ich“ (Elisabeth Helland Larsen, Marine Schneider) thematisiert unter anderem den Tod eines Kindes, den Tod alter Menschen, Tod in Katastrophenfällen, oder warum es wichtig ist irgendwann zu sterben. Es ist ein besonderes Buch, allerdings nicht in akuten Situationen zu empfehlen. Man sollte es sich in der Kita oder in der Schule ansehen, aber es nicht zu einer trauernden Familie geben.
Für Familien mit todkranken Kindern ist das Buch „Der Besuch vom kleinen Tod“ (Kitty Crowther) zu empfehlen. Es ist allerdings keineswegs geeignet für Familien, die einen plötzlichen Verlust erleiden. Hier bietet sich der Klassiker „Abschied von Rune“ (Wenche Oyen, Marit Kaldhol) an. Wenn Freunde oder Geschwisterkinder sterben ist „Luftkinder“ (Ysabel Fantou, Antonia Simon) einen näheren Blick wert. Auch für den Verlust eines Elternteils gibt es empfehlenswerte Titel wie „Für immer“ (Kai Lüftner, Katja Gehrmann), „Annas Himmel“ (Stian Hole) oder „Papas Arme sind ein Boot“ (Stein Erik Lunde, Oyvind Torseter).
Persönliches Fazit
Ich konnte für mich aus dem Abend die Erkenntnis mitnehmen, dass es bei zukünftigen Buchvorstellungen von Büchern, die Tod und Trauer thematisieren in meinen Rezensionen nicht mehr nur meine persönliche Meinung zum Buch geben wird, sondern vor allem eine Einschätzung nach den Gesichtspunkten, die ich unter „Literatur als Hilfsmittel“ aufgezählt habe.
Hallo und guten Tag,
eines der Themen denen man täglich im TV, Zeitung usw. begegnet, aber lieber Abstand behält dazu…..
LG..Karin..